Poker um Alternativkultur

Die Wohnungsgesellschaft WBM ersteigerte gestern das Haus Schwarzenberg für 2,5 Millionen Euro – und möchte das alternative Kulturzentrum erhalten. Doch einige Erben stoppten das Verfahren

Mit Applaus und Jubelrufen reagierten die Zuschauer im Saal 3810 des Amtsgerichts Mitte, als der Rechtspfleger das Ende der Zwangsversteigerung des Objekts Rosenthaler Straße 39 verkündete. Damit ging das Haus Schwarzenberg für 2,5 Millionen Euro an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Berlin Mitte (WBM) – im Prinzip jedenfalls. Denn die Geschichte um den Verkauf des alternativen Kulturzentrums präsentiert sich verworren.

Anfang des Jahres kündigten die Eigentümer den Verkauf des Objekts an. Seitdem kämpft der Hauptmieter, der seit 1995 dort ansässige Verein Haus Schwarzenberg, um den Erhalt des letzten Stücks Alternativkultur in Mitte – und um die 100 Arbeitsplätze im Kino Central, den Ausstellungsflächen, Ateliers und dem Anne-Frank-Zentrum.

Die Freude der Betroffenen währte gestern nur kurz. Rechtsanwältin Ute Dornberger, die einen Teil der zerstrittenen Erbengemeinschaft vertritt, beantragte umgehend die Einstellung des Verfahrens. WBM-Juristin Ute Henkelmann erklärt sich den Schachzug der Anwältin damit, dass einige Erben auf einen höheren Erlös spekuliert hätten. Schließlich liegt der Verkehrswert der Immobilie bei 3,3 Mio. Euro. Mit einer Verfahrenseinstellung wäre die Versteigerung hinfällig. Das Gericht vertagte die Entscheidung, ob die WBM den Zuschlag erhält, auf den 11. November.

Die WBM wollte sich gestern noch nicht dazu äußern, welche Pläne für das Kulturzentrum, das zum Sanierungsgebiet Spandauer Vorstadt gehört, bestehen. Stattdessen erklärte Torsten Wöhlert, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Kultur, das Konzept: „Es geht uns um eine Sanierung, die nicht in Mieterhöhungen mündet, sondern die ansässigen Künstler und anderen Einrichtungen am Ort hält.“ Dazu käme auch eine „private-public partnership“ in Betracht.

Im April war ein erster Versteigerungstermin aufgrund fehlender Bieter geplatzt. Auch gestern ging es schleppend los: Minuten vor Schluss lagen nur zwei Gebote vor. Aber dann traten doch noch Interessenten auf den Plan, unter ihnen Harm Müller-Speer, dem zahlreiche Immobilien rund um die Hackeschen Höfe gehören. Der Hamburger Investor hatte sich bereits vor einiger Zeit einen Minderheitenanteil aus der Erbengemeinschaft gesichert – just aus dem Anteil, den Anwältin Dornberger vertritt.

Enttäuscht vom Verlauf zeigte sich das deutsch-israelische Ehepaar Schauder-Shani, das rund 2,2 Mio. Euro geboten hatte. „Hier werden öffentliche Gelder verschwendet, statt die Sache engagierten Privatleuten zu überlassen“, sagte Geschäftsfrau Nicole Schauder-Shani. Sie habe Kulturförderung betreiben wollen. In Vereinskreisen hält man Schauder-Shanis Engagement jedoch für dubios.

Ob die WBM den Zuschlag erhält oder nicht – selbst eine Verfahrenseinstellung wäre für alle, die verhindern wollen, dass die Alternativkultur in Mitte weichen muss, ein Gewinn: „Dann müsste alles neu aufgerollt werden, und das gäbe uns wieder ein Jahr mehr Zeit“, so Thomas Heppener von der Anne-Frank-Stiftung. MEIKE RÖHRIG