Krise in Sri Lanka

Staatspräsidentin Kumaratunga setzt drei Minister ab und schickt die Parlamentarier vorübergehend nach Hause

DELHI taz ■ Die sri-lankische Präsidentin Chandrika Kumaratunga hat gestern drei Minister des Kabinetts ihres Rivalen, Premierminister Ranil Wickremesinghe, entlassen und die Parlamentsabgeordneten bis zum 19. November nach Hause geschickt. Laut einem Militärsprecher besetzten Armee-Einheiten wichtige Einrichtungen in der Hauptstadt Colombo, darunter die Radio- und Fernsehstation.

Alle drei gefeuerten Minister (für Inneres, Verteidigung und Information) waren in den Friedensprozess mit der tamilischen Rebellenorganisation LTTE involviert. Die Vermutung liegt nahe, dass Kumaratunga mit dem Schritt ihre Unzufriedenheit über die gemäßigte Reaktion der Regierung auf die jüngsten radikalen Forderungen der LTTE zum Ausdruck brachte. Sie hatte zwar „grundlegende“ Vorbehalte angemeldet, damit aber gleichzeitig die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen verbunden. Nach Ansicht vieler Beobachter kommen die Vorschläge der LTTE für eine Übergangslösung im Norden und Osten einem Plan zur vollständigen Sezession dieser Landesteile gleich.

Kumaratunga, die auch der wichtigsten Oppositionspartei vorsteht, hat der Regierung bereits in der Vergangenheit vorgeworfen, dass sie in ihrer verzweifelten Suche nach einer Lösung des zwanzigjährigen Bürgerkriegs vitale Interessen des Landes verletze. Die Präsidentin, die selbst zu einer echten Autonomielösung bereit ist, sieht in der LTTE eine Terrororganisation, für die Verhandlungen nur einen Schritt auf dem Weg zu einem selbstständigen Staat darstellen. Sie repräsentiert damit nicht nur die Meinung großer Teile der sinhalesischen Bevölkerungsmehrheit, sondern auch jene der Armee, deren Oberkommandierende sie ist. Kumaratunga könnte zweifellos mit deren Unterstützung rechnen, falls die jüngste Entlassung nur ein Vorspiel wäre, um in einem „Staatsstreich von oben“ die gesamte Regierung zu entlassen.

BERNARD IMHASLY