während ich aß von CORINNA STEGEMANN
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Eigentlich fing alles ganz normal an. Ich saß an einem Biertisch und aß Salat, während etwa zehn Meter von mir entfernt zwei Spanier lautstark und handgreiflich um einen Besen stritten. Rechts von mir saß ein großer, grauer Kater auf dem Boden und beobachtete mich. Ich wollte ihn gern streicheln und versuchte, ihn mit einem Salatblatt anzulocken. „Kater fressen keinen Salat“, wisperte mir eine Stimme zu.

Doch der Kater pirschte sich tatsächlich scheu an mich heran, schnupperte an dem Blatt und fraß es auf. Nach zwei weiteren Blättern, die ich ihm reichte, stellte er sich auf die Hinterbeine, legte ein Vorderbein lässig um meine Schulter – er war wirklich sehr groß – und fragte, ob er noch ein bisschen mehr Salat mitessen dürfe. Ich fand das drollig und gestattete es ihm.

Doch als ich das nächste Mal genauer hinschaute, bemerkte ich, dass der Kater sich in einen riesigen Hasen verwandelt hatte. Er trug ein rot-weiß kariertes Hemd und eine kurze, bayerische Lederhose. Den Arm hatte er noch immer um meine Schulter gelegt, und er naschte fleißig von meinem Salat.

Aber nach einer Weile wurde mir der Arm zu schwer, der Hase wurde mir unangenehm und ich bat ihn, wieder zu gehen. Er jedoch ignorierte diese Bitte und setzte sich stattdessen neben mich an den Tisch. Dann nahm er eine Vierteltomate von meinem Teller, tunkte sie in ein Glas Honig, legte sie auf den Teller zurück und zermatschte das Ganze mit einer Gabel. Ich fand das scheußlich und sagte dem Hasen, dass ich Salat mit Honig keineswegs schätze und dass er, wenn er unbedingt solche Schweinereien veranstalten wolle, das bitte auf einem eigenen Teller tun solle. Da flippte er aus, schrie mich an und keifte, ich sein eine miserable Gastgeberin, ich würde ihn wie Dreck behandeln, was ich mir eigentlich einbilden würde, seine Familie sei viel älter als meine, wenn hier jemand keine Tischmanieren hätte, dann wäre das ja wohl ich, und ich sei hundsgemein.

Ich war bestürzt und verwirrt, doch dann sagte der Hase schnippisch: „Bitte, dann nehme ich mir eben einen eigenen Teller.“ Und schon hatte er einen Teller vor sich stehen, auf den er sich mit beiden Pfoten meinen gesamten Salat lud, den er eilig mit Honig übergoss. „Hey!“, rief ich empört aus, „so geht es aber nicht!“ Ich rettete vier Salatblätter und eine Vierteltomate, die noch nicht mit Honig beschmiert waren, auf meinen eigenen Teller zurück und legte schützend beide Arme darum. Doch in dem Moment wurde ich abgelenkt. Ein Händler mit seinem Bauchladen kam herbei und stellte mir ein sensationelles Gerät vor: Es handelte sich um einen flachen, metallenen Aufsatz, durch den sich – wenn man ihn über das Mundstück einer Blockflöte stülpte – mit nur ganz wenig Kraft und Puste herrliche, kristallklare Trompetenklänge erzeugen ließen.

Ich war begeistert und wollte es kaufen, als ich jedoch nach meinem Geldbeutel suchte, musste ich feststellen, dass der Hase mitsamt meinem Salat und meinem Rucksack das Weite gesucht hatte. Und nun war der Händler mit dem Bauchladen ebenfalls verschwunden. Da wurde mir klar, dass die beiden Schurken unter einer Decke steckten, und ich wachte auf.