Wenn Frau Holle die Betten schüttelt

Schnee und Glätte – wer muss fegen? Zunächst hat der Vermieter dafür zu sorgen, dass seine Mieter auf dem Grundstück und vor dem Haus nicht zu Schaden kommen. Diese Aufgabe kann er im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht delegieren

Ob es eine weiße Weihnacht geben wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Sicher aber ist: Wenn Schnee liegt und Glatteis herrscht, muss beides beseitigt werden. Doch wer ist dafür zuständig?

Verantwortlich ist zunächst der Vermieter im Rahmen seiner so genannten Verkehrssicherungspflicht: Er hat dafür zu sorgen, dass seine Mieter auf dem Grundstück und vor dem Haus nicht zu Schaden kommen. Das nehmen Gerichte selbst in Ausnahmesituationen sehr genau: „Der Verkehrssicherungspflichtige muss substanziiert darlegen, dass die extremen Witterungsverhältnisse (Eisregen) gerade am Unfallort herrschten und deswegen die Streupflicht entfiel“, entschied das Landgericht Berlin (Az. 58 S 549/97). Das Kammergericht bestätigte: „Auch bei andauerndem gefrierendem Sprühregen sind Streumaßnahmen nicht zwecklos, sodass der Streupflichtige aus Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haftet“ (Az. 9 U 5915/97). Damit war letztinstanzlich das Urteil des Amtsgerichts Pankow vom Tisch, dessen Richter zuvor die Streupflicht bei extremer Witterung für entbehrlich hielten.

Räum- und Streupflicht muss also ernst genommen werden. In Berlin droht dem eine Geldbuße, wer ihr „schuldhaft“ nicht nachkommt. Der Vermieter kann sich dieser Aufgabe entledigen und dazu einen gewerblichen Winterdienst beauftragen. Die Kosten dafür sind in der Regel als Betriebskosten auf die Mieter umlegbar. Streut und fegt der Hauswart, sind die Kosten dafür mit seinem umlagefähigen Lohn erfasst. Darüber, wer die Kosten für Schippe und Streumittel zu tragen hat, wenn die Räumpflicht von Mietern übernommen wird, streiten die Experten.

Ohne eine vertragliche Vereinbarung braucht allerdings kein Mieter Schnee zu fegen oder die vereisten Bürgersteige zu bestreuen. Der Deutsche Mieterbund weist darauf hin, dass eine nachträgliche Änderung des Vertrages oder der Hausordnung ohne Zustimmung des Mieters unzulässig ist. Ein Gewohnheitsrecht, wonach Mieter immer, insbesondere die dann in schneereichen Zeiten besonders unglücklichen Erdgeschossmieter, grundsätzlich Schnee fegen müssten, gibt es nicht, wie mehrere Gerichte entschieden (unter anderen: Oberlandesgericht Frankfurt, Az. 16 U 123/87).

Der Vermieter habe aber auch dann, wenn er seine Mieter in die Pflicht nimmt, immer noch die Aufgabe, deren ordnungsgemäßes Tun zu überwachen (Oberlandesgericht Köln, Aktenzeichen 19 U 37/95). Unzureichend sei es, wenn er nur zweimal im Winterhalbjahr die Einhaltung der Reinigungspflicht durch den Mieter überprüfe (Oberlandesgericht Celle, Az. 9 U 15/97).

Der zum Winterdienst Verpflichtete muss vor allem auf den Bürgersteigen vor dem Haus Schnee fegen und bei Eisglätte streuen, und zwar in einer für den Fußgängerverkehr erforderlichen Breite von mindestens einem Meter, sodass zwei Passanten aneinander vorbeigehen können. Gleichermaßen ist der Hauseingang, der Weg zu den Mülltonnen und den Mieterparkplätzen zu sichern (AG Charlottenburg, Az. 207 C 516/86). Grundsätzlich gilt die Winterpflicht den ganzen Tag über. Laut Straßenreinigungsgesetz müssen nach 20 Uhr auftretender Schneefall und Glätte bis 7 Uhr des nächsten Tages beseitigt sein; an Sonn- und Feiertagen bis 9 Uhr. Nur während lang anhaltenden Schneefalls braucht niemand fortlaufend zu räumen, zu streuen und zu fegen. Der Streupflichtige muss aber schon dann vor die Tür, wenn es nur noch geringfügig schneit – notfalls auch mehrfach am Tag (Bundesgerichtshof, Aktenzeichen VI ZR 49/83).

Grundsätzlich gilt: lieber einmal öfter als zu wenig. Denn wenn ein Unfall passiert, kann es teuer werden. In Halle beispielsweise hat eine Versicherung einen Teil ihrer Aufwendungen erfolgreich von einem Streupflichtigen eingeklagt, der seine Aufgabe nicht ernst nahm. Ein Passant stürzte vor dem Haus. Forderung: knapp 150.000 Mark. Achtung: Krankheit, Urlaub und Abwesenheit aus beruflichen Gründen tun nichts zur Sache. Wer verhindert ist, muss sich um eine Vertretung kümmern. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Schnee fegen kann, sollte sich an seinen Vermieter wenden und um Befreiung von diesen Diensten bitten. Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass dann der Vermieter wieder in der Pflicht ist (Aktenzeichen 16 S 87/88).

Um das Risiko witterungsbedingter Ungleichheiten auszuschalten – und damit das potenzielle Pech eines Mieters, dass es ausgerechnet immer gerade dann schneit, wenn er mit Fegen dran ist –, empfiehlt sich eine „Schneekarte“: Dem Mieter, der sie in den Händen hält, obliegt der Winterdienst für einen Tag. Nur wenn er tatsächlich zum Einsatz kam, darf er die Karte an den Nachbarn weitergeben.

Will der Vermieter seine Streupflicht auf andere abwälzen, wird er nur dann von seiner Verantwortung entbunden, wenn er die Übertragung auf Dritte beim Landeseinwohneramt anzeigt und die Behörde dies genehmigt. Dabei muss die Genehmigung nicht ausdrücklich erteilt werden, sondern gilt, wenn das Amt innerhalb eines Monats die Zustimmung nicht versagt. Obacht: Ungeeignet für die Übernahme der Räum- und Streupflicht sind alle Personen, die Schnee oder Glätte nicht unverzüglch beseitigen können, beispielsweise Berufstätige, die nur nebenbei Hauswart sind.

Der streupflichtige Mieter trägt damit eine erhebliche Verantwortung und sollte „in jedem Fall über eine Haftpflichtversicherung verfügen“, raten Juristen. Achten Sie darauf, dass diese vertraglich übernommenen Risiken ausdrücklich mitversichert sind. Lassen Sie sich das notfalls auch schriftlich bestätigen – dann können Sie Frau Holle hier auf Erden ruhig etwas helfen. A. LOHSE