Nebenfach Liebe

Flirten zwischen Vorlesung und Mensa: Nichts leichter als das? Eine Umfrage unter Studierenden enthüllt, dass viele eben doch nicht nur an das eine denken

Also wer hier keinen findet, der bleibt immer allein“, sagt eine BWL-Studentin. Ist Liebe automatisch ein Nebenfach für alle Studierenden? Schwingen und kreuzen sich in Mensen, Bibliotheken und Hörsälen erotische Wellen zum Kurzschluss? Ist das Paarungsverhalten studierender Großstädter so wild und willenlos, wie die heute ergrauten 68er uns aus ihren Studientagen berichten? Eher weniger.

Eine keineswegs repräsentative Befragung auf dem Campus der Hamburger Universität ergibt eher Nüchternes: Zwei Studentinnen der Erziehungswissenschaften finden die Hochschule gänzlich unromantisch: „Das ist doch total anonym hier, hier sieht doch jeder nur zu, dass er seine Scheine schnell schafft.“ Und manchem ist es sogar nicht cool genug: „Ich würde nie mit jemandem von der Uni was anfangen“, sagt ein BWLer und ergänzt: „Ich bin zu freiheitsliebend.“ Einem angehenden Juristen hingegen hilft sein Fach bei der Annäherung: Einmal sei er mit einer Frau direkt von der Vorlesung zu ihm nach Hause gegangen. „Das war nicht schwer, Verwaltungsrecht ist so langweilig, dass man schnell auf andere Themen gekommen ist“.

Geschichten wie diese machen all denen Probleme, die wirklich glauben, das Studentenleben habe ein Dauerflirt zu sein, und darunter leiden, dass das bei ihnen nicht so ist. Und doch ist der einsame Studierende nicht allein. Peter Figge, Leiter des Zentrums für Studienberatung und Psychologische Beratung an der Uni, bestätigt: „Bei uns melden sich viele wegen Störungen der sozialen Beziehungsfähigkeit.“ Wer damit zu kämpfen hat, spüre die Belastung, in vergleichsweise instabilen Strukturen zu leben, umso stärker.

Hochschüler leben außerdem mit der gesellschaftlichen Erwartung, dass sie Einsamkeit per se nicht kennen. Wie kann auch jemand einsam sein, der den ganzen Tag unter seinesgleichen ist und jeden Abend Party feiert? „Das ist ebenso ein Missverständnis wie die Erwartung, dass Studierende jede Menge Freizeit und Freiheit haben“, sagt der Psychologe Figge. „Dabei müssen sehr viele von ihnen arbeiten und empfinden gerade die Freiheit als Hypothek.“

     Sandra Wilsdorf