Der Lurchi trägt Trauer

Salamander schließt zum nächsten Jahr fast alle Filialen. 47 von 53 Mitarbeitern werden entlassen. Geschäftsführung räumt Fehler ein. Ver.di misstraut Insolvenzverwalter und fürchtet Zerschlagung

VON OLIVER MARQUART

Auf den ersten Blick war gestern in der Salamander-Filiale am Tauentzien alles ganz normal. Die Verkäuferinnen gingen freundlich ihrer Arbeit nach. Über mangelnde Beschäftigung konnten sie sich nicht beklagen, es waren genug Kunden im Laden. Im Gespräch einer Angestellten mit einer Kundin an der Kasse jedoch war zu hören: „Das geht hier nur noch bis Dezember.“ „Und dann?“, fragt die Kundin erstaunt. „Keine Ahnung. Arbeitsamt“, lautete die Antwort.

Die Stimmung unter den Beschäftigten ist gedrückt. „Das ist der pure Frust“, meint eine. Am Dienstag kündigte Insolvenzverwalter Hendrik Hefermehl an, zum nächsten Jahr unrentable Filialen aufzugeben, um für mögliche Investoren attraktiver zu werden. In Berlin sind wegen der hohen Geschäftsdichte gleich fünf der sechs Schuhläden und 47 von 53 Mitarbeitern von den Plänen betroffen. Die Geschäfte in der Schloßstraße, am Mariendorfer Damm, in der Müllerstraße, am Tauentzien und in der Hermannstraße stehen vor dem Aus. Lediglich die sechs Mitarbeiter der exklusiven Filiale an der Friedrichstraße bleiben zunächst von der Entlassung verschont.

Von der Geschäftsleitung fühlen sich die Angestellten mangelhaft informiert. „Zuerst waren es nur Gerüchte. Die Belegschaft erfährt es ja immer zuletzt.“ Der Blick in die Zukunft fällt düster aus. Dem Handel gehe es allgemein schlecht, die Zahl der Alternativen sei gering. „Es ist mir fast egal, auch wenn ich weniger verdienen sollte. Hauptsache, einen Job“, so das resignierte Fazit. Die Fehler sieht man ganz klar auf Seiten des Managements.

Auch Dr. Norbert Breuer, einer der Geschäftsführer des insolventen Unternehmens, räumt Fehler im Managementbereich ein. Sich selbst schließt er mit dieser Einschätzung allerdings nicht ein, immerhin sei er erst seit Juni 2004 bei Salamander tätig. Jetzt gehe es darum, den „gesunden Kern“ von Salamander zu retten, um wenigstens die verbleibenden Arbeitsplätze langfristig zu sichern.

Eine Darstellung, welcher der Ver.di-Einzelhandelsfachmann Achim Neumann gründlich misstraut. Er vermutet hinter den Plänen des Insolvenzverwalters keinen Sanierungsplan, sondern ein „Zerschlagungskonzept“. Neumann betont weiter, er finde es „zum Kotzen, dass die Manager die Unternehmen an die Wand fahren und sich mit goldenem Handschlag in die Toskana verabschieden“. Schuld an der Lage sei auch eine verfehlte Modellpolitik, zu hausbacken seien die Designs der Salamander-Schuhe. Billigere Konkurrenten hätten angesichts der sinkenden Kaufkraft der Verbraucher zudem einen Vorteil. Menschlich sei die Krise bei Salamander besonders schwierig, da viele Mitarbeiter seit ihrer Ausbildung, also seit rund 30 bis 40 Jahren, beschäftigt seien.

Das Schuhhandelsgeschäft blickt in Berlin auf eine lange Tradition zurück. In seinen Glanzzeiten betrieb das Unternehmen hier zwanzig Filialen. 1904 hatte ein Berliner Schuhverkäufer sich den Markennamen sichern lassen. Kurz darauf tat er sich mit zwei bereits erfolgreichen Schuhmachern aus Kornwestheim zusammen. Ausgerechnet das hundertste Geschäftsjahr wird für Salamander offensichtlich das bisher schwerste.