Brüssel: Kongos Frieden am „toten Punkt“

Korruption, Machtkämpfe: Nach scharfer belgischer Kritik an Kongos Politikern zieht Kinshasa seinen Botschafter ab

BRÜSSEL taz ■ Die Demokratische Republik Kongo hat gestern ihren Botschafter in Belgien auf unbestimmte Zeit für „Konsultationen“ zurückgezogen. Der vom Sprecher des Staatschefs Joseph Kabila verkündete Schritt folgt auf eine Rede des belgischen Außenministers Karel De Gucht am Vortag vor dem außenpolitischen Ausschuss des Parlaments in Brüssel, in der er die Zustände im Kongo scharf kritisiert hatte. Die Krise zwischen Kongo und seiner einstigen Kolonialmacht ist bedeutsam, da Belgien in großem Maße die Haltung der EU und damit einen wesentlichen Teil der internationalen Politik gegenüber dem Land bestimmt.

Er habe im Kongo „nur wenige überzeugende Verantwortliche“ getroffen, sagte De Gucht den Abgeordneten nach seiner Rückkehr von einer Afrikareise. Die meisten Politiker in der amtierenden Allparteienregierung seien damit beschäftigt, sich gegenseitig zu bekämpfen. Die Verwaltung sei korrupt, die Staatsbetriebe würden ausgeplündert. Der Übergangsprozess, der den Kongo bis Sommer 2005 zu freien Wahlen führen soll, befinde sich an einem „toten Punkt“ und könne „scheitern“. Selbst wenn die Wahlen stattfinden sollten, werde es keine Fortschritte geben, wenn Beamte und Soldaten nicht bezahlt würden. De Gucht wies darauf hin, dass keine internationale Organisation die Bezahlung kongolesischer Soldaten übernehmen werde.

De Gucht will nun mit seinen EU-Kollegen beraten, wie Kongos Verwaltung gestärkt werden kann. Seine Kritik übt der seit Juli amtierende Minister nicht zum ersten Mal: Zum Ende seiner Afrikareise am 15. Oktober hatte er in Ruanda gesagt, dass es in Ruanda anders als im Kongo „immerhin einen Staat“ gebe, der versuche, die Geschäfte „korrekt“ zu führen. Obwohl er auch über ruandische Einmischung im Ostkongo klagte, sorgten seine Bemerkungen in Kinshasa für Empörung. Kongos Botschafter in Brüssel, Jean-Pierre Mutamba, sprach versöhnlich von einer „persönlichen“ Meinungsäußerung des Belgiers. Aber nun wiederholte der Außenminister seine Meinung in Vertretung des Premierministers. Kongos Informationsminister Henri Mova Sakanyi forderte gestern Belgien auf, einen neuen Außenminister zu ernennen. Kongolesische Oppositionelle und Vertreter der Zivilgesellschaft sind hingegen erfreut. Manche haben dem Minister Glückwünsche übermittelt.

FRANÇOIS MISSER