Göteborgs-Posten 3
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Unser Autor Markus Flohr hat seinen Posten in Göteborg aufgeschlagen, wo er den Norden im Norden sucht. Heute: Neues über den Wasserwerfer.

Hannes Westberg ist Anfang 20, er arbeitet als Kellner in einer hippen Theaterkneipe, und er hat Phantomschmerzen an seiner Milz. Über dem Eingang seiner Kneipe, der Pustervik, hängt ein grosser runder roter Kreis. Hannes‘ Vater ist Arzt, Professor für Innere Medizin und Vorsitzender von „Ärzte gegen den Atomtod“ in Schweden.

Das Engagement des Vaters ging irgendwie auf den Sohn über, jedenfalls warf Hannes vor drei Jahren Steine auf schwedische Polizisten, weil die EU ihr Gipfeltreffen in Göteborg abhielt. George Bush war auch eingeladen. Das war Mitte Juni 2001, das war nach den politischen Riots in Seattle, das war nachdem in Genua ein italienischer Aktivist von der Polizei erschossen wurde.

Trotzdem traf das Anti-Globalisierungsgewitter die Polizei in Schweden völlig unvorbereitet. Es gab im ganzen Königreich nur einen Wasserwerfer. Der stand in einer Garage in Stockholm.

Mit Sicherheit hatte die schwedische Polizei keine vernünftige Idee, wie mit dem Gipfel gegen den Gipfel umzugehen sei. Als Europas versammelter schwarzer Block Göteborgs Einkaufs- und Flaniermeile Kungsportsavenyen umgestaltete, musste sich die Polizei Hockey-Equipment bei Intersport kaufen. Um mitzuhalten. Und um sich selbst zu schützen. Das taten die Poliser auch, als sie Hannes Westberg in die Milz schossen. Sagen sie jedenfalls. Er hatte einen Stein in der Hand, als der Schuss ihn traf.

Nach drei Tagen Globalisierungsdemos und -krawallen sah Göteborgs Innenstadt sehr wüst aus. Einige Ordnungshüter starteten jetzt Racheaktionen, die hauptsächlich jungen Menschen wurden gezwungen, sich im kalten Regen und dünn bekleidet auf die nackte Straße zu legen. „Gestern wart ihr dran, jetzt haben wir unseren Spass“, sollen sie gesagt haben. Hannes Westberg wurde zu dieser Zeit vom Vater im Krankenhaus die Milz geflickt. Das ist auch eine Geschichte aus Göteborg, und sie ist noch nicht mal drei Jahre alt.Markus Flohr