Bauernopfer
: Ene, mene, muh

BSE, Nitrofen, Acrylamid – angesichts solcher Lebensmittelskandale rücken Verbraucherschutz und umweltverträgliche Landwirtschaft immer mehr ins öffentliche Bewusstsein. Man sollte meinen, dass damit auch die Beschäftigung mit diesen Themen an den Universitäten steigt. Doch in der Hauptstadt laufen die Uhren anders herum. Ausgerechnet eine der wenigen Berliner Hochschuleinrichtungen, die intensiv zu Fragen der Nachhaltigkeit und Nahrungsmittelqualität forscht, soll geschlossen werden.

Seit 1810 sind die Agrarwissenschaften an der Berliner Uni verankert. Jetzt soll die landwirtschaftlich-gärtnerische Fakultät (LGF) der Humboldt-Universität (HU) den vom Senat verordneten Sparmaßnahmen zum Opfer fallen. Aus ökonomischer Sicht ein kluger Schachzug des HU-Präsidenten: So kann er auf einen Streich 31 der angepeilten 90 Professuren eingesparen. Auch sonst ist die LGF ein dankbares Opfer. Sie ist innerhalb der Uni wenig vernetzt, so dass der Wegfall den Unibetrieb kaum stört.

Aus hochschulpolitischer Sicht ist die Entscheidung jedoch kurzsichtig: Denn damit verliert Berlin das einzige Studienangebot dieser Art. Die Fächer Fischereiwirtschaft und Gewässerökologie sind sogar deutschlandweit einzigartig. Statt im Existenzkampf der drei Volluniversitäten in der Hauptstadt mit dem traditionsreichen Aushängeschild zu punkten, setzt der Unipräsident den Rotstift an – weil die LGF für ihre ökologischen Forschungsprojekte nicht genug Drittmittel eintreiben konnte.

Außerdem gehören die Agrarwissenschaften eh an die Fachhochschulen, meint der Präsident. Aber auch das ist zu kurz gedacht: Denn viele Studenten mit FH-Abschluss kommen nach Berlin um an der LGF einen der modernen Masterstudiengänge zu belegen. Die bieten im Gegensatz zum engen FH-Studium Raum, um Fremdsprachen zu lernen und sich auch mit soziologischen Problemen der ländlichen Entwicklung zu beschäftigen.

Fähigkeiten, die Absolventen in ihren Jobs gut brauchen können. Die Mehrheit geht als Berater in die Entwicklungshilfe oder zu internationalen Organisationen. Insbesondere bei der Eingliederung der osteuropäischen Landwirtschaft in die EU spielt die Drehscheibe Berlin eine wichtige Rolle. Das LGF erforscht und begleitet die Tranformationsprozesse in den Beitrittsländern seit Jahren. Dabei ist der interdisziplinäre Ansatz der LGF zukunftweisend – nur so gelingt es, Studenten zu Systemdenkern auszubilden und Wissen zu produzieren, das für die Lösung zentraler Probleme wie Armut und Umweltverschmutzung hilfreich ist.

MEIKE RÖHRIG