Kanzler müllt Müllmänner zu

Gerhard Schröder verzapft auf einer Mitarbeiterversammlung der Stadtreinigung die üblichen Politikerfloskeln. Seine Botschaft an „die Kollegen“: Ohne die Kehrer geht es dem Land dreckig. „Gut, dass er es mal gesagt hat“, findet ein Straßenfeger

VON CHRISTINE KEILHOLZ

Ganz am Schluss mussten sie wohl kräftig die Besen schwingen, um die ganzen Worthülsen rauszukehren. Aber was soll er schon Großartiges sagen, wenn er zu einer Freundschaftsrede eingeladen ist. Also sagte er das, was er vor nörgelnden Arbeitnehmern sonst so sagt, auch den 1.500 Mitarbeitern der Berliner Stadtreinigungsbetriebe. Eigentlich nix Konkretes.

Weil er den Kontakt mit der Straße nicht scheut, hegt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) warme Gefühle für jene, die sie sauber halten. Drum schaute er gestern mal bei der Personalsitzung der BSR im Congress Centrum vorbei. Die Stadtreinigung ist mit fast 130 Jahren einer der ältesten und mit 6.000 Leuten der bundesweit größte kommunale Entsorger.

Trotz aller Freundschaft musste auch zur Sprache kommen, wo Hauptstadts Straßenfegern das Fell juckt. Über Privatisierung kommunaler Unternehmen, Lohndumping und den Abbau von Mitbestimmungsrechten beschwerte sich Personalratschef Hans-Günther Zimmer. „Wir wollen ein Einkommen zum Auskommen“, forderte Zimmer im Namen der rund 1.500 Anwesenden. Jedoch seien seine Leute, trotz allen Kummers, eine „starke und selbstbewusste Truppe“, mit der Deutschland locker die kommende Fußball-Weltmeisterschaft gewinnen könnte.

Kicker Schröder selbst kam ganz als Kumpel, nannte die BSRler „Kollegen“ und schmeichelte ihnen gehörig. Er verwies die missmutigen Müllmänner auf die sonnige Seite der Straße, denn „so schlecht ist es nun auch nicht im Lande“.

Danach trommelte er routiniert für die umstrittenen Arbeitsmarkt- und Sozialreformen. Deutschland sei nicht schlechter geworden, andere Länder aber besser. Dies stelle auch die Besenbranche vor neue Herausforderungen: „Ich bin wirklich gekommen, um zu sagen, was getan wird.“ Dazu eine Wortmeldung aus dem Publikum: „Na, denn sach dit doch mal.“

Als zentrale Aufgabe versteht der Regierungsoberste die Erhaltung der sozialen Sicherungssysteme und der betrieblichen Mitbestimmung. Er werde „etwas Bewährtes keinesfalls über Bord werfen“. Selbstverständlich habe er auch was gegen komplette Privatisierung kommunaler Unternehmen. Schuld an allem seien nun mal der verschärfte internationale Wettbewerb und die demografische Entwicklung der Republik. Und schlechtes Management. Dieses müsse von jenen ausgebügelt werden, die es verzapft haben. So was sollte die Freundschaft nicht vernebeln.

Ganz Kollege, streute er reichlich süße Worte: So bestätigte er den Kehrern, dass es dem Lande ohne sie dreckiger ginge. Die Firma dankte und überreichte ihm ein geräumiges orangefarbenes Firmenleibchen mit der Aufschrift „Nur mit uns“.

Zum Schluss gab’s einen warmen Händedruck für den obersten Feger. Man spöttelte noch gemeinsam über Hertha und trennte sich als Freunde. Der davongefegte Kanzler ließ die Müllis irritiert zurück. Die hatten zwar feste geklatscht, aber nichts Wesentliches erfahren. „Aber gut, dass er da war“, meinte einer. „Und dass er es mal gesacht hat.“