Historisches Urteil gegen Alberto Fujimori in Peru

Der ehemalige Staatschef hat laut Gerichtsurteil mindestens 25 Morde und zwei Entführungen angeordnet

PORTO ALEGRE taz ■ Perus Expräsident Alberto Fujimori ist wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 25 Jahren Gefängnis verteilt worden. Nach 160 Prozesstagen in fast 16 Monaten, sprach eine Sonderkammer des obersten Gerichtshofs am Dienstag den 70-Jährigen in Lima in allen Anklagepunkten für schuldig. Während der dreistündigen Verlesung des Urteils war Fujimori meist damit beschäftigt, sich Notizen zu machen. Dann sagte er genau vier Worte: „Ich lege Berufung ein.“

Es ist das erste Mal, dass ein gewähltes Staatsoberhaupt in Lateinamerika wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt wird. Die drei Richter sahen es als erweisen an, dass Fujimori, der Peru von 1990 bis 2000 regierte, mindestens 25 Morde und zwei Entführungen angeordnet hat: Im November 1991 wurden auf einer Party in Lima 15 Menschen ermordet, im Juli 1992 neun Studenten und ein Hochschullehrer. Die ausführende Todesschwadron „Colina“ war von Angehörigen des militärischen Geheimdienstes gebildet worden und unterstand dem Fujimori-Vertrauten Vladimiro Montesinos.

Der Expräsident habe die Geheimdienstler „autorisiert, geleitet und kontrolliert“, heißt es in dem 711 Seiten starken Urteil. Nach Bekanntwerden der Massaker habe er geschwiegen, Montesinos beschützt und für Straflosigkeit gesorgt. Am 5. April 1992, als Fujimori das Parlament auflöste, ließ er zudem den Journalisten Gustavo Gorriti und den Geschäftsmann Samuel Dyer festnehmen. Beide wurden in das „Pentagonito“, den Folterkeller im Hauptquartier der Streitkräfte, verschleppt.

Soziale Bewegungen und Menschenrechtsgruppen begrüßten das Urteil. Es stelle eine „sehr mächtige Botschaft“ für Lateinamerika dar, sagte José Miguel Vivanco von Human Rights Watch. Mit seinen klaren Spielregeln und Liveübertragungen im Fernsehen sei der Prozess gegen Fujimori „exemplarisch“ gewesen. Allerdings hält es der Menschenrechtler für möglich, dass Fujimori von Präsident Alan García begnadigt wird.

García, der von 1985 bis 1990 Fujimoris Vorgänger war, steht selbst wegen Menschenrechtsverletzungen während seiner Amtszeit in der Kritik. García und Fujimori führten den Kampf gegen die Guerillaorganisationen „Leuchtender Pfad“ und MRTA an, bei dem Zehntausende unschuldiger Zivilisten starben. Der 2003 veröffentlichte Bericht der peruanischen Wahrheitskommission gibt die Zahl der „Opfer politisch motivierter Gewalt“ zwischen 1980 und 2000 mit knapp 70.000 an.

Immer noch zeigen rund 30 Prozent der PeruanerInnen Verständnis für Fujimori. In einem „politischen Prozess“ sei nicht nur ihr Vater verurteilt worden, sondern „der ganze Staat“, meinte Tochter Keiko, die bei der Präsidentenwahl 2011 antreten will. In Tokio sprach seine Frau Satomi Kataoka von einer „mittelalterlichen Hexenjagd“. 2000 war Fujimori aus dem Präsidentenamt nach Japan geflohen, wo er als japanischer Staatsbürger einreiste. Anschließend erklärte er per Fax seinen Rücktritt. 2005 wurde er in Chile festgenommen und im September 2007 nach Peru ausgeliefert.

Alan García gab jüngst grünes Licht für ein „Museum der Erinnerung“, in dem der Opfer des Krieges zwischen dem Staat und den Guerillagruppen gedacht werden soll. Die Weigerung, dafür eine Spende der deutschen Regierung über 1,5 Millionen Euro anzunehmen, hatte wochenlang für Wirbel gesorgt. Den Vorsitz der Museumskommission übernimmt einer der vehementesten Regierungskritiker: der Schriftsteller Mario Vargas Llosa. GERHARD DILGER