whiskey und beruhigungsmittel von RALF SOTSCHECK
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Die Iren haben kein Glück mit ihren olympischen Medaillen. 1996 gewann Michelle Smith im Schwimmen dreimal Gold. Im irischen Fernsehen weinten danach alle: ihre Schwestern, die Cousine zweiten Grades und der Fernsehreporter. Dann spielten sie das Beatles-Lied „Michelle“.

Es gab aber auch Zweifler, die darauf hinwiesen, dass Smith vier Jahre zuvor in Barcelona als einzigen Erfolg verbuchen konnte, dass sie nicht ertrunken war. Plötzlich feierte sie ein Comeback als neuer Mensch: breitschultrig, muskulös und stark behaart, aber vor allem schnell. Sie brach 23 irische Rekorde in zwölf Monaten – und das in einem für den Schwimmsport fast greisenhaften Alter von 26 Jahren. Dopingtests wich sie geschickt aus.

Im Januar 1998 musste sie dann doch eine Urinprobe abgeben. Die roch stark nach Whiskey, stellte ein Angestellter des spanischen Labors überrascht fest. Die Untersuchung ergab, dass der Alkoholgehalt selbst für eine Irin tödlich gewesen wäre. Offenbar hatte der nationale Goldhamster geglaubt, die Kontrolleure würden Whiskey bei irischen Sportlern für einen Teil des Ernährungsplans halten und nicht weiter nach verbotenen Mitteln suchen.

Acht Jahre nach Michelle Smith gab es wieder eine Goldmedaille für Irland. Diesmal gewann Cian O’Connor überraschend beim Springreiten in Athen. Wieder setzte ein nationaler Freudentaumel ein, zumal die Sache über alle Zweifel erhaben schien: Warum sollte ein Springreiter illegale Substanzen zu sich nehmen? Das hat O’Connor auch nicht getan. Er hat sie stattdessen seinem Pferd verabreicht, wie auch die deutschen Reiter. Bei „Waterford Crystal“ wurde ein Beruhigungsmittel nachgewiesen.

Völlig unmöglich, meinte O’Connor. Das Medikament hätte längst aus dem Blut verschwunden sein müssen. Mehr als einen Monat vor den Olympischen Spielen habe sich das Pferd leicht verletzt, so dass es eine Wassertherapie verordnet bekam. Damit es sich in der Pferdebadewanne vor lauter Aufregung nicht verletzte, habe man „Waterford Crystal“ ein leichtes Sedativum gegeben.

Völlig unmöglich, meinte Fritz Sluyter vom Internationalen Reitverband. Er habe noch nie erlebt, dass ein Beruhigungsmittel bei Pferden fünf Wochen später im Blut zu finden sei. Entweder habe das Pferd das Medikament erst kurz vor den Spielen bekommen, oder es war eine ganz andere Substanz. Wozu sollte man ein Pferd vor einem Reitturnier auch beruhigen? Weil es Angst vor den Hindernissen hat? Cian O’Connor blieb jedenfalls bei seiner Version.

Dann fiel auch „ABC Landliebe“, O’Connors zweites Pferd, beim Dopingtest durch. Eine unglückliche Verletzungsserie bei O’Connors Pferden? Jetzt wartet er auf die Gegenprobe und hofft darauf, dass sich beide Labore geirrt haben. Vorsichtshalber hat er aber die Auszeichnung „Irische Persönlichkeit des Jahres“ abgelehnt. Vielleicht hätte er seinen Springpferden besser Whiskey eingeflößt. Dann wären sie höher gesprungen, weil sie die Hürden doppelt gesehen hätten, und das wäre sogar legal gewesen. Oder er hätte sie in Athen beim Freistilschwimmen anmelden können. Genug Übung hatten sie nach der Wassertherapie ja.