Eine Videospur zu den Attentätern

Türkische Polizei versucht den Verantwortlichen für die Terroranschläge durch die Auswertung eines Videos auf die Spur zu kommen. Regierung in Ankara reagiert zurückhaltend auf Bekennerschreiben einer Gruppe mit Verbindung zu al-Qaida

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Die Fahndung nach den Hintermännern der Terroranschläge auf zwei Synagogen in Istanbul mit 23 Toten läuft mit voller Kraft. Nach Auskunft des Gouverneurs von Istanbul, Mehmet Güler, gibt es viele Hinweise, denen die Polizei nachgeht. Es gebe auch noch die Hoffnung, durch eine genaue Auswertung des vor der Neve-Shalom-Synagoge von einer Sicherheitskamera aufgenommenen Videos einer Identifikation der Täter näher zu kommen. Die Kamera hatte bis zur Detonation gefilmt und der Film konnte geborgen werden.

Unter anderem aufgrund dieser Aufnahmen ist die Polizei sicher, dass es sich um Selbstmordanschläge gehandelt hat. Der Kleinlaster sei in langsamer Fahrt an der Synagoge vorbeigekommen und in die Luft geflogen. Augenzeugen in Sisli, wo die Beth-Israel-Synagoge Ziel des Anschlags war, bestätigen einen solchen Anschlagshergang. Beide Kleinlaster hatten gefälschte Nummernschilder. Der Sprengstoff ist nach Polizeiangaben in der Türkei hergestellt worden.

Noch am Sonntagabend wurde bekannt, dass bei der arabischen Zeitung al-Kuds al-Arabi, die in London erscheint, sich per E-Mail ein Kommando „Abu Hefs al-Masri“ zu dem Anschlag bekannte. Diese Gruppe soll zum Netz der al-Qaida gehören und hatte sich bereits einmal auf demselben Weg zu dem Anschlag gegen das UNO-Hauptquartier in Bagdad bekannt. Obwohl dieses Bekennerschreiben zu den Vermutungen der türkischen Regierung über einen internationalen Hintergrund der Anschläge passt, reagierte Premier Erdogan zurückhaltend. Es sei absolut unklar, wie authentisch das Schreiben sei. Das müssten Polizei und Geheimdienste klären. In dem Schreiben hatte die Gruppe erklärt, man habe die Synagogen in Istanbul als Ziel von Anschlägen ausgesucht, weil sich dort Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad aufgehalten hätten.

Politiker in Japan und Australien – Länder, die in dem Bekennerschreiben als nächste Anschlagsziele genannt wurden – betonten, man werde zunächst die Sicherheitsvorkehrungen nicht verstärken. Denn es ginge den Terroristen gerade darum, Unsicherheit zu verbreiten.

Die geht nun vor allem bei jüdischen Türken um. Bis auf Oberrabbiner Ishak Haleva halten sich die meisten Mitglieder der jüdischen Gemeinde mit öffentlichen Auftritten zurück. In Israel wurde gewarnt, in der Türkei Urlaub zu machen. Die türkische Öffentlichkeit betonte gestern ihre Verbundenheit mit den Opfern. In den großen Zeitungen wird ausführlich über sie und ihre Familien berichtet.