Cosima sticht in See

Im Kölnischen Kunstverein unternehmen Cosima von Bonin und ein Haufen Mitstreiter Versuche zu einer künstlerischen Seefahrt. Vor allem zeichnen sie sich durch ihr gelungenes Scheitern aus

Eingebettet in ein ästhetisches Fluidum, das zugleich spröde und weich ist

VON MAGDALENA KRÖNER

Wie ein riesiger, mit bunten Stoffen bezogener Wal liegt ein großer Schärenkreuzer im Erdgeschoss des Kölnischen Kunstvereins. Der massive Rumpf des Seglers reicht fast bis an die Decke; der Mast liegt nutzlos quer im Raum. Eine Etage höher ist ein großer Katamaran, mit grauem Filz bezogen, in eine geschlossene, nur von oben einsehbare Arena aus Holz gepfercht. Seine Kufen sind zu lang, deswegen ist das eigentlich leichte und schnelle Boot verkantet und lehnt einigermaßen hilflos an der Wand.

Diese gestrandeten, verqueren, grandios gescheiterten Objekte tauchen in der Arbeit der 1962 in Mombasa geborenen, in Köln lebenden Künstlerin Cosima von Bonin immer wieder auf – als feste, gleichwohl in ihrer äußeren Hülle veränderliche Größen, um die ein Strom an Menschen treibt: Künstler, Musiker, Modedesigner, die von Bonin ins Boot holt.

Abseits vom Hipness-Verdacht der, wie Manfred Hermes es im Katalogtext beschreibt, „sozialen Cosima“, die, wie es ihre Art ist, Spuren legt, integriert und Künstler miteinander vernetzt, bringt das über mehrere Tage produzierte Gemisch aus Performance, Fotografie, Film und Skulptur, textilen Elementen und Readymade einen dichten, mehrere Ebenen gemächlich ineinander verwebenden Kosmos hervor.

Das Ergebnis: ein offener, hybrider Raum voller opulent zur Schau gestellter, angedeuteter und zurückgenommener Bedeutungen, voller Verschwendung und Scheitern, voller Abwegigem und Namenlosem. Räume, durch die man sich treiben lässt, deren Bedeutungsebenen man ausspähen oder ahnen kann, vor allem aber sich erlaufen und erschauen sollte, und die sich kaum allein durch die Betrachtung des Films oder das Abwandern der skulpturalen Objekte im Erdgeschoss erschließen.

So gleicht ein idealer Gang durch die Ausstellung einem kreisenden Sichbewegen, einem Von-Etage-zu-Etage-Schwappen, um ein allmähliches Aufscheinen von Bedeutungen, Andeutungen und Verweisen zu erleben, die Dopplung aus Kunst und Alltag, aus Universellem und Persönlichem, eingebettet in ein ästhetisches Fluidum, das zugleich spröde und weich ist, und in das jeder der vielen Akteure seine persönliche Präsenz einprägt.

So empfiehlt es sich etwa im ersten Stock, mit einem kurzen Seitenblick auf ein an die Holzwand gepapptes Foto aus einem antiautoritären Kindergarten der 70er-Jahre, die schmale Treppe hinaufzusteigen, um von oben in den Holzcontainer zu schauen, in dem der kleinere Raum für die „zwei betrauten Diener“ – für Bonins französische Bulldoggen (Lord) Jim und (Boy) George – ein wenig wie ein schnell aufgeräumtes Kinderzimmer wirkt. Nebenan verströmt der verkantete Katamaran eine unvorhergesehene Härte; strotzt in seiner Perfektion gegen die ihn zu eng umfassenden Wände an.

Doppelte Bedeutungen lassen sich auch im Erdgeschoss überall entdecken: „Hape Kerkeling“ heißt ein wunderbar sprödes, stolperhohes Readymade aus Fertigziegeln aus dem Baumarkt, das ebenso irritiert wie das herrliche, minimalistische Schwingtür-Objekt „John James“, durch das sich kaum jemand hindurchzugehen traut.

Offen bleibt auch die Bedeutung der teils bestickten Stoffe – neben den textilen Pilzen das Markenzeichen von Bonins. Zunächst scheinen sie nah an einer weiblichen Praxis privater Gestaltung zu sein und diese zu zitieren, doch funktionieren vor allem die flächig eingesetzten Karostoffe als Readymades und vor allem als kulturelle Zitate, die an eine traditionelle Kostbarkeit erinnern und die aus grauem und gelbem Filz genähten, überdimensionierten Stofftiere kontrastieren.

Der stärkste Eindruck wird dabei bestimmt von der Veränderlichkeit bereits zuvor gezeigter Einzelwerke; ihr Übergehen in den von-Bonin-typischen Genre-Mix bei hoher formaler Trennschärfe. Bei Bonin ist das Werk immer auch Bühne, ist die Künstlerin Spielmeisterin, die in der Fülle ihrer Mitspieler unterzutauchen hofft und doch als Autorin sichtbar bleibt. Die Künstler und Musiker sind zugleich Akteure, und die Hunde, die in der Hundeschule etwas beigebracht bekommen sollen, scheinen eher wie verwöhnte Gören auf den Nerven ihrer mit Hundemasken bewehrten Musiker-Erzieher in grauen Kitteln zu zerren. Die Akteure im Performancevideo „Kapitulation“ drehen den zu großen Katamaran im engen Raum herum und machen passend, was zu groß geraten ist: Am Ende steht die Zerstörung des Objektes, das dann in der Ausstellung jedoch wieder unversehrt auftaucht. Die Skulptur verweist dann auf die vergangenen Ereignisse – mehrere Zeitebenen sind miteinander verwoben.

Entschlüsselung im Sinne einer homogenisierenden Deutung wäre hier ebenso fehl am Platze wie die Frage nach dem Sinn der einzelnen Objekte. Eher erscheinen viele der Dinge gerade in ihrem Unpassenden, Abseitigen, Hilflosen wie Treibgut, dessen Form sich durch die stete Bewegung des Wassers verändert hat und dessen Ursprung unklar geworden ist. Batailles Bild der Welle mag einem in den Sinn kommen: der ewige Wunsch, „wie eine Welle in der Welt zu sein“. In den Kosmos Cosima von Bonins einzutauchen fühlt sich an wie eine Seefahrt – auch ohne Wasser: Immer neue Bilder tauchen aus der Entfernung auf, nähern sich und fließen dann weiter. Dazu viel frische Luft und ein leicht schwankender Grund.

Bis 16. Januar, Katalog (Buchhandlung Walther König) 28 €