Protest nach Stundenplan

Am Otto-Suhr-Institut organisieren Studierende einen Aktionstag. In Workshops diskutieren sie die Misere an ihrem Fachbereich. Auch an anderen Instituten brodelt es

Die Leitung der Freien Universität (FU) hat extra einen Wachmann engagiert, um die Studenten in Schach zu halten. Mit Megafon und Transparent zieht gestern Morgen ein Grüppchen von Studierenden vor dem Präsidialamt auf, um für den Aktionstag am Otto-Suhr-Institut (OSI) zu werben. Drinnen findet gerade eine Pressekonferenz statt, auf der ein Indianerhäuptling aus dem brasilianischen Regenwald seine Eindrücke von Europa schildert.

Während die Pressevertreter der Zivilisationskritik des Eingeborenen lauschen, ist für die aufgebrachten Studenten auf der Türschwelle Schluss: Die Uni-Leitung macht von ihrem Hausrecht Gebrauch und sperrt sie aus. Schließlich habe es keine Anmeldung vonseiten der Studenten gegeben, man habe von ihrer Aktion erst aus dem Internet erfahren, leistet eine Dame von der Uni-Leitung dem Wachmann Schützenhilfe. So gerüffelt ziehen die Protestierer unverrichteter Dinge ab.

Am Institut für Politologie selbst laufen die Aktionen planvoller ab. Es gibt sogar einen Stundenplan des Protests: Ein eilends gedrucktes Vorlesungsverzeichnis listet rund 25 selbst organisierte Workshops auf, in denen sich alles um das Thema Bildungsnotstand dreht. „Wir wollen die Studenten wachrütteln und dazu motivieren, sich zu beklagen“, erkären die Organisatoren der studentischen Arbeitsgruppe „OSI-Kritik“. Höhepunkt des Tages ist eine Podiumsdiskussion zwischen Uni-Präsident Dieter Lenzen und den streikenden OSI-Professoren Peter Grottian und Wolf-Dieter Narr.

„Die meisten Professoren sind sehr kooperativ“, sagt Jonas Gabler, der mit seinem Kommilitonen ein alternatives Seminar zum Thema studentische Mitbestimmung anbietet. Viele Dozenten hätten ihre Seminare umgewidmet und würden sich heute mit hochschulpolitischen Themen beschäftigen.

Kein Wunder, denn laut Presseberichten plant die Leitung der Freien Universität 82 Professuren und 500 Mitarbeiterstellen einzusparen, um so bis zum Jahr 2009 Mindereinnahmen von rund 37 Millionen Euro auszugleichen. Allein am OSI sollen 7 von derzeit 21 Professorenstellen wegfallen.

Unterdessen formiert sich nicht nur dort der Widerstand: Am Friedrich-Meinecke-Institut für Geschichte organisierten Studenten am Montag einen Warnstreik. Gestern hielten die Geografie-Studenten eine Vollversammlung ab. Danach zogen rund 200 Leute in einem Protestzug zum OSI. Das Geografische Institut soll fünf Professoren verlieren. „Wir fürchten, dass die einzige Studienmöglichkeit für Geologie in Berlin gestrichen wird“, erklärt Studentin Marlene Feichtinger. Auch bei den Psychologen und den Erziehungswissenschaftlern sind Aktionen geplant.

„Der Protest beschränkt sich bisher auf die Geisteswissenschaften“, berichtet Manfred Suchan vom AStA. „Die Naturwissenschaften bilden das Schlusslicht.“ Das könnte sich ändern: Denn nach den Sparplänen, die Unipräsident Dieter Lenzen heute im Akademischen Senat vorlegen will, sollen unter anderem die Physik sieben sowie die Chemie und die Pharmazie jeweils fünf Professuren einbüßen.

Für Donnerstag planen die Studierenden eine FU-Vollversammlung, auf der über uniweite Aktionen gesprochen werden soll. MEIKE RÖHRIG