Urin unterwegs

Die Iren und das Doping: Olympische Pferdepisse wird vor dem Test gestohlen

DUBLIN taz ■ Die Meldung sollte wohl im Trubel der US-Wahlen untergehen: Am Montag gab der Internationale Reiterverband bekannt, dass die B-Probe des vierbeinigen Goldmedaillengewinners „Waterford Crystal“ bereits am 21. 10. gestohlen worden sei (siehe „Wahrheit“ vom 1. 11. 2004). Es war Irlands einzige Medaille bei den Olympischen Spielen in Athen, doch der Dopingtest danach war positiv. Bei „Waterford Crystal“, das dem Zeitungszaren Tony O’Reilly gehört, wurde ein Beruhigungsmittel nachgewiesen.

Das hätte längst abgebaut sein müssen, meinte Reiter Cian O’Connor. Sein Pferd habe sich kurz vor den Spielen verletzt, sodass es eine Wassertherapie verordnet bekam, sagte er. Damit es sich vor Aufregung nicht noch mehr verletzte, habe man ihm ein Sedativum gegeben, was nicht verboten ist – sofern es beim Wettkampf nicht mehr nachweisbar ist. O’Connor verlangte eine Gegenprobe.

Die ist nun verschwunden – zumindest ein Teil davon. Aus der diffusen Erklärung des Internationalen Verbandes geht hervor, dass lediglich die Urinprobe, nicht aber die Blutprobe gestohlen worden sei. „Taking the piss“, so kommentierte ein Pferdesportexperte doppeldeutig, denn der Satz bedeutet im Umgangssprachlichen, dass „jemand verarscht“ wird. Das trifft in diesem Fall zweifellos auch zu.

Nachdem die Probe vor 13 Tagen geklaut wurde, wartete der Verband fünf Tage, bevor er die Polizei einschaltete. Wiederum drei Tage später informierte man O’Connor, dass die B-Probe zur Untersuchung nach Hongkong geschickt wurde. Zu dem Zeitpunkt war sie jedoch längst abhanden gekommen, wie der Verband vorgestern einräumte. Obendrein legte O’Connors Rechtsanwalt Andrew Coonan am Montag die Kopie eines Briefes mit Datum desselben Tages vor. Darin bittet der Generalsekretär des Internationalen Verbandes, Bo Helander, den Chef eines Pariser Labors, Yves Bonnaire, die B-Probe von „Waterford Crystal“ so schnell wie möglich nach Hongkong zu schicken.

Dabei hatte Bonnaire ebendiese Probe vor knapp zwei Wochen per Kurier zum „Forensischen Labor für Pferderennen“ in der englischen Grafschaft Cambridgeshire expediert, der weltweit führenden Institution in Sachen Pferdedoping. Dort ist das Päckchen zwar angekommen, aber die Probe fehlte. Die Diebe waren Experten, so viel steht fest: Die Urinprobe ist nur durch einen Strichcode gekennzeichnet.

Falls die Pisse nicht mehr auftaucht, muss das Verfahren wohl eingestellt werden, und O’Connor kann seine Goldmedaille behalten. „Das wäre unbefriedigend“, sagte Avril Doyle, die Europaabgeordnete und Präsidentin des irischen Verbandes für Pferdesport. „Wir wollen, dass Cian die Gelegenheit bekommt, seinen guten Namen und den Ruf seines Pferdes wiederherzustellen.“ Das ist alles sehr beunruhigend für „Waterford Crystal“. Man sollte dem Gaul ein leichtes Beruhigungsmittel verabreichen. RALF SOTSCHECK