kommentar: schrumpfstadt
: Magdeburg-Schock hilft

NRW will nicht in einem Atemzug mit den ausgestorbenen Plattenbauten im Osten genannt werden. Dabei fließt überhaupt nur Bundesgeld in die hiesigen Schrumpfstädte, weil Gelsenkirchen im vergangenen Jahr so aussah wie Görlitz. Damals wurde Bundesbauminister Manfred Stolpe (SPD) auf einer zweitägigen Elendstour durch vergammelte Bahnhöfe, verrammelte Ladenzeilen und verkommene Wohngebiete geschoben, um NRW ein Stückchen vom Förderprogramm Stadtumbau abzubekommen.

Überhaupt gibt es keinen Grund, die Ost-Parallele zu scheuen, wahrscheinlich hilft sogar der erste Schockgedanke an Magdeburger Horror-Platten: In der Politik ist das Schrumpf-Thema angekommen, zahlreiche Kongresse und Programme beweisen das, aber den Bürger und die Bürgerin muss das Thema betreffen. Denn sie könnten vielleicht zum ersten Mal mitreden über ihr Wohnviertel, über ihre Vorstellung vom schöneren Wohnen. Schließlich sind sie in Zukunft begehrt, weil ihre Spezies ausstirbt. Das macht sie interessant für Immobilienbesitzer und Stadtstrategen.

Umgekehrt sollten Hausbesitzer zukünftig über den frisch getünchten Jägerzaun blicken. Ihr lange ersparter Klinkerbungalow wird jedes Jahr ein paar tausend Euro weniger wert, wenn nicht die gesamte Siedlung attraktiver wird. Und wer möchte schon inmitten von leer gezogenen Häusern wohnen?

Die Ost-Schocker können also beflügeln. Bei den aktuellen Prognosen sind sie noch nicht einmal gelogen. ANNIKA JOERES