Gold aus dem Jenseits

Tutanchamun live erleben per Telefon, Internet oder SMS. Mehr als eine halbe Millionen Besucher erwartet die Bonner Bundeskunsthalle bis Mai. Da kommt auch der Kanzler gern zur Eröffnung

AUS BONN HOLGER ELFES

Manchem Besucher wird noch das Mega-Event der Tutanchamun-Ausstellung vor über 20 Jahren in Köln, Paris und London in Erinnerung sein. Ganz Europa war im Ägyptenfieber, Schlangen bildeten sich vor den Museen. Das soll diesmal anders werden: Tickets gibt‘s per Telefon, Internet oder gar SMS. High Tech auch in der Ausstellung. Eine virtuelle Nillandschaft wird auf einen Tisch projiziert. Sobald der Besucher mit der Hand einen der Orte auf dem überdimensionalen Touchscreen berührt, erscheinen Informationen zu den kulturellen und religiösen Zentren. Man darf gespannt sein, wie sich das System bei tausenden Besuchern am Tag bewährt.

Die ganze Ausstellung „Das goldene Jenseits – Grabschätze aus dem Tal der Könige“ zeigt einen Ausschnitt der Jahrtausende alten ägyptischen Geschichte. Es geht um die 18. Dynastie (1550 bis 1292 v.Chr.) zu Beginn des Neuen Reichs. Echnaton war einer der berühmten Vorgänger Tutanchamuns. Als Ketzer ging der mit Nofretete verheiratete Pharao in die Geschichte ein. Ein Teil der Ausstellung ist seinen religiösen Reformen gewidmet, die den Vielgötter-Glauben der Ägypter abschaffen und stattdessen eine Art frühen Monotheismus mit dem alleinigen Sonnengott Aton etablieren wollten. Ein prächtiges Relief, auf dem der Pharao die Sonnenscheibe anbetet, zeugt vom neuen Kult. Tutanchamun war mit ziemlicher Sicherheit ein unehelicher Sohn des Ketzerpharaos. Mit acht Jahren kam er auf den Thron, mit 18 war er bereits tot. Nicht viel Zeit, um wirklich etwas zu bewegen in dem Riesenreich. Aber Tutanchamun hat alles getan, um die Reformen seines Vaters rückgängig zu machen. Das Establishment am Nil dankte es ihm mit einer prächtigen Beerdigung.

Gleich 50 der bedeutendsten Kunstwerke aus dem Grab Tutanchamuns sind jetzt in Bonn zu sehen. Feinste bemalte Alabastergefäße, vergoldete Grabfiguren und ein Eingeweidesarg, der wie eine kleinere Kopie des berühmten großen Goldsargs aussieht, der Kairo nie mehr verlassen wird, gehören zu den Highlights. Gold galt den alten Ägyptern als Fleisch der Götter. Aber auch für die Lebenden war das Edelmetall verlockend. Und wo es zu bekommen war, wussten Grabräuber schon damals, waren doch die altägyptischen Wörter für Sargkammer und Goldhaus synonym. Das Grab des Tutanchamun blieb nur deshalb als einziges überhaupt ungeplündert, weil er im Vergleich zu anderen Herrschern unbedeutend, sein Name aufgrund der engen Verwandtschaft zum Ketzer Echnaton gar aus der Königsliste getilgt war. Zudem wurde der Eingang zur Grabkammer zwei Jahrhunderte nach seinem Ableben bei den Arbeiten für ein weiteres Grab mit Bauschutt zugekippt. Unversehrt entdeckte es vor 82 Jahren der englische Archäologe Howard Carter, dessen Arbeit die Ausstellung mit zahlreichen Original-Fotografien dokumentiert. Die eigentliche Grabkammer ist in Bonn maßstabsgerecht mit Originalfunden, Reproduktionen der Wandmalereien und Fotos von der Graböffnung „rekonstruiert“. Mit dem angeblichen Fluch der Mumie – Inspiration für so manche Hollywood-Produktion – räumt der Ausstellungskatalog auf: alle an den Grabungen beteiligten starben eines natürlichen Todes – im Durchschnittsalter von 70 Jahren!

TutanchamunBundeskunsthalle Bonnbis 1. Mai 2005Infos: 0228-91710