fußpflege unter der grasnarbe
: In Strahlenschutzanzügen dem Ball hinterhergehechelt

Abwehrkette, Blockade, Sperrriegel, Durchstoßen der Verteidigungslinie – das hört sich zwar so an, als würde Ewald Lienen seine fußballerische Philosophie zusammenfassen. Aber das sind vielmehr Begriffe, die die Castor-Berichterstattung dieser Tage beherrschen. Statt des Balles rollt der Transport, und auch sonst haben Fußball und Gorleben eher wenig miteinander zu tun.

Tatsächlich ist das Wendland tiefste fußballerische Provinz. Wer Bundesliga sehen will, muss ins ungeliebte Hannover fahren, das die Wendländer nur per Traktor und zwecks Blockade aufsuchen mögen. Der Lüneburger SK in der Nachbarschaft hat sich von glorioseren Regionalliga-Zeiten längst verabschiedet. Der TuS Gorleben oder der SV Gartow kicken in den Niederungen der DFB-Hierarchie, und seltenst verirrt sich mal ein Späher aus den Belletagen der Fußball-Republik nach Clenze oder nach Meuchefitz. Wahrscheinlich wissen die Hoeneß-Brüder nicht einmal, wo Krummasel liegt.

Was aber keine Rückschlüsse auf provinzielle Beschränktheiten zulassen sollte: Homepages wendländischer Fußballvereine weisen unter dem Link „Aktuelles“ nicht zuvörderst aufs nächste Grillfest hin – das tun sie natürlich auch – , vielmehr finden sich Hinweise auf den Stand der Protestvorbereitungen gegen den Atommüll, den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Transportes, auf Treffpunkte der Atomgegner. Es gibt kein ruhiges Hinterland – das gilt eben auch für Fußballer, wenn es ums Wendland geht.

Zum Auftakt der Proteste an diesem Wochenende hechelten in Dannenberg für die Kameras der Pressefotografen Greenpeace-Jugendliche in Schutzanzügen dem Ball hinterher, im Vorjahr wurde in der Region der White Wendish Cup ausgetragen, mit Teams, die Namen tragen wie „Bibi Blockadeberg“. Der St.Pauli-Sweater ist die Eintrittskarte zur Anti-Atom-Bezugsgruppe. Die Schnittmenge zwischen Castor-Gegnern und Oliver-Kahn-Hassern dürfte erheblich sein.

Und auf irgendeine Weise unterscheidet sich das, was sich Jahr für Jahr im Wendland abspielt, ja auch nicht großartig von dem, was jeden Samstag in der Bundesliga passiert. Die Einen versuchen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, das Objekt der Begierde irgendwo unterzubringen, während die Anderen sich bemühen, das zu verhindern. Die Einen agieren von links nach rechts, die Anderen umgekehrt. Gut, der Ausgang steht im Groben stets im Vorhinein fest. Insofern hätten Oddset-Wetter, die ihr Geld darauf einsetzen, dass auch diesmal am Ende der Castor dort landet, wo die Atom-Lobby ihn hinspielen möchte, gute Prosperitätsaussichten.

Und was ist ein Vorstandsvorsitzender von E.on oder Vattenfall anderes als ein Roman Abramovitch der Energie-Szene? Einer, der sich dank opulenter Finanzmittel, deren Herkunft leicht im unreinen bleiben, das entsprechend notwendige Personal ins eigene Lager holt, dabei auch den einen oder anderen Akteur, der zuvor auf der Gegenseite gekickt hat, mittlerweile für die eigenen Dienste verpflichtet. Mit dem Resultat, dass E.on in der Champions League antreten darf, bestens ausgestattet mit allen Trainingsmöglichkeiten, die man sich wünschen kann, während die BI Lüchow-Dannenberg eher die unteren Ligen zu bespielen hat und nicht einmal eine vernünftige Flutlichtanlage zur Verfügung hat.

Wie gut, dass es noch den Pokal mit seinen, ja, ja, jetzt kommt‘s, eigenen Gesetzen gibt. Manchmal, wenn die Großen vor Überheblichkeit kaum laufen können, hat der TuS Gorleben gegen den FC Bayern seine Chance. Zumindest auf ein Unentschieden.