Das Studium der Streichkonzerte

Die Kürzungsvorgaben des Senats für die drei großen Hochschulen treiben zurzeit tausende Studierende auf die Straße. Jede Uni bastelt am eigenen Sparrezept. Eine Bestandsaufnahme

von MEIKE RÖHRIG

Die tausenden Studierenden aller drei Unis, die im Moment durch Straßen und U-Bahnen ziehen, eint die Empörung über die Sparvorgaben des Senats. Diese fallen je nach Hochschule unterschiedlich aus, jeder Uni-Präsident bastelt an seinem eigenen Kürzungskonzept. Kurt Kutzler von der Technischen Universität (TU) entwarf gestern ein, wie er vorsorglich dazu sagte, „Horrorszenario“: Die TU könne in den kommenden Jahren in über 30 Fächern keine Studenten mehr aufnehmen, ab 2009 wäre das Angebot auf 19 Studiengänge geschrumpft. 80 bis 90 Professoren müssten gehen, 4.400 Studienplätze wären weg.

Kutzlers Vision hat einen höchst realen Hintergrund: 75 Millionen Euro müssen TU, Freie Universität (FU) und Humboldt-Uni (HU) zwischen 2006 und 2009 einsparen. Eine Summe, auf die sich Wissenschaftssenator Thomas Flierl mit den Präsidenten im Sommer geeinigt habe, wie Annette Walz von der Wissenschaftsverwaltung betont.

Den größten Brocken muss Kutzlers TU mit rund 29 Millionen Euro bewältigen. FU und HU sollen jeweils rund 23 Millionen abknapsen. Extrabelastungen wie Abgaben an den Fachhochschulstrukturfonds und Tariferhöhungen noch nicht mitgerechnet. Deshalb setzen alle Unis die realen Summen höher an – die TU rechnet mit Mindereinnahmen von 32,8 Millionen Euro, die HU mit 30 Millionen, die FU gar mit 37 Millionen.

Wo gespart wird, dürfen die Unis selbst entscheiden. Die wenigen Ansagen von Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS): Die vorhandenen 85.000 Studienplätze sind zu schonen, Kooperationsmöglichkeiten auszuloten und Einsparungen vor allem bei Verwaltung, Bibliotheken und Rechenzentren vorzunehmen.

Leitlinien, die sich kaum in den Sparkonzepten finden, die aus den Elfenbeintürmen an die Öffentlichkeit drangen: HU-Präsident Jürgen Mlynek machte Ende Oktober den Anfang. Er will 530 Stellen streichen, knapp ein Fünftel aller Jobs an der HU. Im Einzelnen wären 90 Professuren, 180 wissenschaftliche Mitarbeiter und 260 Verwaltungs- und Servicestellen betroffen. Die Zahl der Studienplätze soll von 16.000 auf 13.000 sinken.

Mlynek setzt auf radikale Schnitte statt auf flächendeckendes Kürzen: Die landwirtschaftlich-gärtnerische Fakultät mit fast 1.500 Studenten und 31 Professoren soll weg. Ebenso der Fachbereich Bibliothekswissenschaften. Die Romanistik soll künftig auf die Hälfte der Profs verzichten, die Theologie auf ein Drittel. Bei den Asien- und Afrikawissenschaften werden 5 von 16 Professuren gestrichen. Die ständige Gastprofessur für Jüdische Studien entfällt.

Von der FU, deren Studenten gestern ebenfalls in den Ausstand traten, gibt es bisher keine konkreten Zahlen. Aufgebrachte Studis sprengten am Mittwoch die Sitzung des Akademischen Senats, in der FU-Präsident Dieter Lenzen seine Pläne präsentieren wollte. Bisher sickerte durch, dass 82 Professoren- und 500 Mitarbeiterstellen zur Disposition stehen. Bei der Verteilung der Sparlast sind vor allem die Soziologen betroffen – sie sollen die Hälfte ihrer Profs verlieren. Dem traditionsreichen Otto-Suhr-Institut droht der Verlust eines Drittels der Professorenschaft.

Was bleibt, ist nur ein vager Trost für alle Streikenden: Die Strukturpläne müssen erst im Juni 2004 verabschiedet werden.