SANDINISTEN GEWINNEN WAHLEN IN NICARAGUA
: Lohn der Basisarbeit

Während der friedlichen Revolution in der DDR war Nicaragua erstaunlich präsent. Auf zahlreichen Plakaten war die Forderung an die SED-Führung zu lesen, endlich „mit dem Gesicht zum Volk“ zu handeln, „de cara al pueblo“, und diese Losung war durch ein Lied von Gerhard Schöne auch während der Protestveranstaltungen in vielen Kirchen zu hören. Das Modell eines volksnahen dritten Weges, bei dem innerhalb einer freien Gesellschaft mit gemischter Wirtschaft der Staat eine wichtige Rolle behält, schwebte manchen Ostdeutschen auch für eine reformierte DDR vor.

Der erste Schock kam im Februar 1990, als die Sandinisten in Nicaragua die Wahlen verloren. Drei Wochen später erging es den Bürgerbewegungsgruppen in der DDR nicht anders. Es blieb das Interesse an den Entwicklungen in Managua, manch einer fuhr später auch selbst dorthin.

Dass die alten Ideen noch leben und sozial engagierte Politik vor Ort Erfolg bringen kann, haben die Kommunalwahlen vom Sonntag gezeigt. Nach mehreren Niederlagen bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in den letzten 14 Jahren haben die Sandinisten nun deutliche Mehrheiten errungen. Gelingen konnte dies nicht nur aufgrund der Spaltungen im rechten Lager, sondern auch durch die sichtbaren Fortschritte in jenen Städten, die bisher schon unter sandinistischer Leitung standen. Dort sind auf pragmatische Weise alternative Lösungen gefunden worden. Zugleich ist es gelungen, viele junge Leute für den Wahlkampf zu begeistern.

Vordenker einer linksalternativen Politik in Deutschland wären daher gut beraten, mal wieder einen Besuch im fernen Mittelamerika einzuplanen. Dort lässt sich vielleicht ergründen, wie man durch beharrliche Basisarbeit nicht nur kleine Gruppen, sondern auch Mehrheiten gewinnen kann.

     CHRISTOPH LINKS