Spiel verloren, nicht die Substanz

Schalke verliert erstmals seit vielen Wochen ein Bundesligaspiel. Trainer Ralf Rangnick lässt den Kräfteverschleiß der englischen Wochen nicht als Ausrede gelten. Spieler haben ihre eigene Sicht

„Man hat früh gemerkt, dass die Kraft fehlt“, sagte Niels Oude Kamphuis

AUS GELSENKIRCHENHOLGER PAULER

Den Startrekord hat Ralf Rangnick verpasst. Im siebten Bundesligaspiel seit Amtsantritt als Schalke-Trainer konnte er seinen Spielern erstmals nicht zum Sieg gratulieren. 1:3 hieß es am Ende in der Arena auf Schalke gegen die Hertha aus Berlin. Rekordhalter Otto Rehhagel schaffte in der Saison 1995/96 als neuer Bayern-Trainer einen Sieg mehr. Und wahrscheinlich ist Ralf Rangnick gar nicht einmal so unglücklich darüber. Am Ende musste Rehhagel zusehen, wie sein Nachfolger und Präsident Franz Beckenbauer zwar die Meisterschaft verpasste, aber immerhin den Uefa-Cup holte. Dieses Szenario sollte Ralf Rangnick und Manager Rudi Assauer also erspart bleiben, was natürlich nichts an der ärgerlichen Niederlage gegen Berlin ändert.

Die Gründe hiefür lagen übrigens nicht im befürchteten Substanzverlust. Meinte jedenfalls Ralf Rangnick. Wirklich nicht? Am Mittwoch mussten die Schalker noch im DFB-Pokal bei der Eintracht aus Frankfurt antreten, die zusätzlichen Auftritte in Ui-Cup und Uefa-Pokal besorgen den Schalkern regelmäßig englische Wochen. In der laufenden Saison haben sie 24 Pflichtspiele absolviert. Die Berliner zum Vergleich spielten zehn Partien weniger. „Ich möchte nicht zu sehr über Verschleiß reden, weil ich doch dann gleich das Alibi mitliefere“, sagte Rangnick leise, „wenn die Spieler lesen, sie hätten zu viele Spiele, glauben sie es doch, wenn der Trainer das sagt.“

Sie glauben es auch so. Nicht weil sie es gelesen haben, sondern weil sie es wissen. „Man hat früh gemerkt, dass die Kraft gefehlt hat“, sagte Niels Oude Kamphuis und Gerald Asamoah konkretisierte: „Die Kraft hat einfach nicht mehr gereicht.“ Schließlich funktionierte auch noch Rudi Assauer als unfreiwilliger Alibi-Geber: „Heute hat man gesehen, dass irgendwann die Kraft und die Konzentration ausgehen.“ Scheint etwas dran zu sein, zumal auch Gäste-Trainer Falko Götz wusste, dass die Schalker eine „harte Woche“ hinter sich hatten: „Das war der Schlüssel zum Spiel.“ Schöne, einfache Analysen und für jedermann nachvollziehbar.

Auf dem Platz „bespielten“ (Falko Götz) sich beide Mannschaften im Mittelfeld ausdauernd und aggressiv. Die ballführenden Spieler wurden permanent bedrängt, eroberte Bälle gingen regelmäßig verloren. Vor allem Nico Kovac und der im benachbarten Wanne-Eickel aufgewachsene und gegen Schalke immer besonders motivierte Yildiray Bastürk nahmen durch ihre harte Spielweise den Schalkern jeglichen Spaß. Die Fans wussten schon früh, dass Bastürk zum Spielverderber werden könnte, und pfiffen ihn bei jeder Aktion aus. Als Bastürk ausgewechselt wurde, wich die Aggression der Erleichterung. Falsch gedacht: Ersatzmann Zecke Neuendorf bereitete das 2:1 vor und rettete später gegen Ebbe Sand auf der Linie.

Die leichte optische Überlegenheit der Schalker machte sich während des gesamten Spiels nicht in Chancen bemerkbar. Gefährlich wurde es gegen das hühnenhafte Berliner Abwehrbollwerk um die humorlosen Josip Simunic und Alexander Madlung vor allem nach langen Bällen, wenn die schnellen Schalker Ailton und Gerald Asamoah ihre Beweglichkeitsvorteile ausspielen konnten – entscheidend vor das Tor kamen sie nicht. Es fehlte der letzte Kick Schnelligkeit.

Das einzige Tor der ersten Halbzeit erzielten die Berliner. Der überragende Marcelinho traf aus schwer zu erkennender Abseitsposition. „Ich will hier nichts schön reden, aber es war eine spielentscheidende Szene“, sagte Ralf Rangnick hinterher, um gleichzeitig noch auf einen diesmal zu recht ausgebliebenen Elfmeterpfiff gegen Gerald Asamoah zu verweisen. Immerhin sorgte Herthas Torhüter Christian Fiedler für ausgleichende Gerechtigkeit, indem er eine Flanke durch die Hände rutschen ließ und Gerald Asamoah zum zwischenzeitlichen Ausgleich beschenkte. Am Ende spielten die Schalker zu wenig, um wenigstens den einen Punkt zu retten. Am Kampf lag es nicht. Das honorierten auch die Zuschauer. „Die Fans haben halt schon Ahnung vom Fußball“, sagte Gerald Asamoah. „Die haben gesehen, dass wir alles versucht haben.“

Der angestrebte Platz an der Tabellenspitze wurde dennoch verpasst. „Ich schaue nicht auf die Tabelle, sondern von Spiel zu Spiel“, sagte Frank Rost nicht wirklich enttäuscht. Das gute dabei: Bis zum nächsten Anpfiff in Leverkusen dauert es ausnahmsweise eine ganze Woche.