Leises Trommeln für den Euro
: Osteuropa: Berlin und Paris schaden uns

VON ROLAND HOFWILER

Unverständnis, Bitterkeit, Wut – das sind die nahezu einhelligen Reaktionen bei den EU-Neulingen aus Ostmitteleuropa. Vom Balkan bis zum Baltikum die gleichen Schlagzeilen in den Zeitungen: „Wir Kleinen werden geschröpft“, titelte gestern die slowenische Delo, auf der Homepage der Baltic Times war zu lesen: „Die EU teilt sich wieder auf in große und kleine Brüder“, eine Anspielung an längst vergangene Zeiten, als der große Bruder Sowjetunion allen anderen im kommunistischen Machtbereich die politische Linie vorschrieb.

Polens Ministerpräsident Miller wetterte im staatlichen Fernsehen: „Wir lassen uns nicht alles bieten, und beim EU-Gipfel am 13. Dezember unterschrieben wir nichts.“ Und um seinen Landsleuten zu zeigen, wie ernst er es meint, traf er sich noch in der Nacht auf Mittwoch mit Spaniens Premier Aznar, um die gemeinsame Position über die dann anstehenden Abschlussverhandlungen über die EU-Verfassung abzustimmen.

In einer Sondersendung des polnischen Rundfunks waren sich Politiker aller Lager einig, die „gebrochenen Versprechen“ nicht tatenlos hinnehmen zu wollen. Allerdings blieb die Frage unbeantwortet, mit welchen diplomatischen Schritten sie gegen Frankreich und Deutschland vorgehen wollen.

In der ungarische Presse, von links bis extrem rechts, füllten Analysen zum Stabilitätspakt ganze Seiten, nicht nur im Wirtschaftsteil. In einem Kommentar kritisiert die liberale Magyar Hirlap die EU-Finanzminister, dass sie die zwei größten Staaten der Eurozone ungestraft davon kommen ließen. Und weiter: „Die kleinen Mitgliedsländer, die den Stabilitätspakt ernst nehmen, haben jetzt das Gefühl, dass die Großen durch die gemeinsame Währung versuchen, einen Teil ihrer Probleme auf sie abzuwälzen.“

Ähnlich war das Presseecho in der Slowakei und in Tschechien. „Deutschland und Frankreich nicht zu bestrafen ist so“, schreibt etwa die Prager Tageszeitung Pravo, „wie wenn ein Vater seinen ungezogenen Kindern Sanktionen androht, die Mutter ihnen aber auf Kosten der väterlichen Autorität alles vergibt. Die EU beginnt, mit verschiedenen Ellen zu messen: Für ein Mitglied gelten die Regeln umbarmherzig, für andere werden sie weich geklopft.“