Keine Angstdebatten, bitte!

Neukölln sei von einer Anschlagsserie wie in den Niederlanden nicht weit entfernt, meint der Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Jetzt hagelt es Kritik – auch aus der eigenen Partei

VON SABINE AM ORDE

Könnte das, was sich derzeit in den Niederlanden abspielt, auch in Berlin passieren? Ist es vorstellbar, dass ein scharfer Islamkritiker – wie der extrem populistische Regisseur Theo van Gogh – auf offener Straße ermordet wird? Dass auf Moscheen und christliche Kirchen Brandanschläge verübt werden? Diese Frage treibt derzeit viele um, die sich mit der multikulturellen Gesellschaft beschäftigen.

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), bekannt für plakative Aussprüche, hat sich dabei weit vorgewagt: Neukölln sei von den Niederlanden nicht weit entfernt, auch in seinem Bezirk drohe Gefahr, sagte Buschkowsky dem Tagesspiegel. Der titelte: „Neuköllns Bürgermeister: Multikulti ist gescheitert“. Das will selbst Buschkowkys eigene Partei so nicht stehen lassen, und auch von PDS, den Grünen und Migrantenorganisationen hagelt es Kritik. Der Tenor dabei: Angstdebatten verschärfen eher die Probleme, als dass sie zur Lösung beitragen. Vom Islamwissenschaftler Ralf Ghadban dagegen erhält Buschkowsky Unterstützung.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will sich zu Buschkowsky direkt nicht äußern, sein Urteil aber ist klar: „Berlin ist relativ weit von Zuständen wie in Holland entfernt.“ Die überwältigende Mehrheit der Berliner Muslime sei an einem friedlichen Zusammenleben interessiert. Die Radikalisierung habe nicht zugenommen.

„Natürlich gibt es auch in Berlin Integrationsprobleme“, sagt der migrationspolitische Sprecher der SPD, Thomas Kleineidam. „Aber die überwiegende Mehrheit der Einwanderer und auch der Muslime ist gut integriert.“ Kleineidam sieht die Gefahr, dass ein Klima herbeigeredet wird, das die Konflikte verschärft. „Das Thema Islam wird in der Politik, aber auch in den Medien derzeit extrem hoch gezogen.“ Der SPD-Politiker hat dabei beobachtet, dass sich die Stimmung auch in liberalen, intellektuellen Kreisen verschoben hat – gegen den Islam: „Da werden, auch in meiner Partei, Debatten geführt, die früher unmöglich gewesen wären und bei denen es mich gruselt.“

Evrim Baba, Neuköllner Parteichefin der PDS und selbst türkischer Herkunft, teilt zwar in vielen Bereichen Buschkowskys Problembeschreibung. Auch sie sieht Schwierigkeiten bei der Integration und Ansätze von Parallelgesellschaften: „Es gibt diesen Rückbesinnung auf die eigene Kultur und die eigenen Religion.“ Doch statt Muslime weiter zu marginalisieren, müsse man ihnen Perspektiven für die Zukunft eröffnen. „Eine Angstdebatte hilft uns nicht.“ Zudem dürfe man Islam und Islamismus nicht ständig in einen Topf werfen.

Auch Volker Ratzmann, Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, spricht von einer „völlig falschen Diskussion“. Da würden hält Buschkowskys Herangehensweise für „alles andere als lösungsorientiert“. Safter Cinar, Sprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB), fordert eine differenzierte Debatte im Umgang mit dem Islam – und auch mit dem Islamismus. Es dürfe weder Generalverdächtigungen noch eine undifferenzierte Toleranz gegenüber Islamisten geben. Buschkowskys Beitrag hält er für „unverantwortlich“ und „reine Stimmungsmache“.

Unterstützung erhält der Neuköllner Bürgermeister dagegen von dem Islamwissenschaftler Ralph Ghadban: „Die Probleme müssen endlich beim Namen genant werden“, sagt er. Nur das habe Buschkowsky getan. Neben Integrationsarbeit müsse es auch eine klare Absage an Islamisten geben. Es gehe nicht, dass islamische Zentren soziale Aufgaben in der Jugendarbeit übernehmen. „Das streben einige Moscheevereine aber an.“