SMS an den Professor

Pilotprojekt: An der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald beurteilen Medizinstudenten per Handy und SMS ihre Vorlesungen und Seminare

Eine solche SMS ist für einen Professor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald der totale Tiefschlag. Sie bedeutet, dass der Student die professorale Leistung in der soeben besuchten Veranstaltung vernichtend schlecht beurteilt. Denn dechiffriert heißen acht „d“s: Der Lehrende hat den Stoff völlig unverständlich vermittelt, keine Beispiele benutzt, die Prüfungsrelevanz nicht erkennen lassen, dabei ein absolut unangemessenes Tempo vorgegeben, er war saumäßig vorbereitet, ließ die Studierenden keine Zwischenfragen stellen, verbreitete furchtbare Atmosphäre – eine somit insgesamt schlechte Performance.

Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald geht neue Wege in der Evaluierung der Lehre. Als Erste in Deutschland bewerten Studierende der Medizinischen Fakultät Lehrveranstaltungen hier per SMS. In einem Pilotprojekt haben im vergangenen Wintersemester zunächst repräsentative 60 Studierende des 1. klinischen Semesters, also nach dem Physikum, an dem Pilotprojekt teilgenommen. Sie erhielten von T-Mobile gesponserte Handys, mit denen sie direkt nach der Vorlesung, dem Praktikum, dem Untersuchungskurs oder dem Seminar an das Dekanat jeweils acht verschiedene Fragen zur Qualität beantwortet haben.

Anstoß für die Suche nach einer zeitnahen Art der Bewertung gab die neue deutsche Approbationsordnung für Ärzte, die an allen Hochschulen umgesetzt werden muss. Sie schreibt wesentlich höheren Praxisbezug, kleinere Lerngruppen, mehr interdisziplinäres problemorientiertes Lernen und zudem die Mitwirkung der Studierenden durch Bewertung von Studienangeboten vor.

Ohne zusätzliche Stellen eine Quadratur des Kreises. Die Leiter der medizinischen Fakultät in Greifswald wollten schnell wissen, ob die eingeführten Änderungen bei den Studierenden ankommen, und wo es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Das Greifswalder Steinbeis-Transferzentrum „Centrum für angewandte Informatik, Flexibles Lernen und Telemedizin“ hat für Entwicklung einer Software und deren Umsetzung gesorgt.

Das Ergebnis nach einem Semester: „70 bis 80 Prozent der Veranstaltungen wurden mit gut oder sehr gut bewertet“, sagt Professor Bernd Kordaß, stellvertretender Studiendekan und Projektleiter. Bei Ausreißern nach unten „haben wir schnell interveniert“. Für ihn sind die Ergebnisse der Beweis, „dass wir auf dem richtigen Weg sind“.

In den meisten Fällen ist Intervention jedoch gar nicht nötig. Die Tatsache, dass Dozenten wie Studierende schon am nächsten Tag auf der Homepage des Fachbereichs nachlesen können, wie eine Veranstaltung angekommen ist, führt in der Regel ganz von alleine dazu, dass die nächste Woche besser wird. „Spannend an dieser Methode ist auch, dass sie zum ersten Mal Evaluation im Verlauf einer Veranstaltung ermöglicht“, sagt Kordaß. Im kommenden Wintersemester, so der Plan, soll das Projekt auf die gesamte Medizinische Fakultät ausgedehnt werden. Und es gibt auch schon Anfragen von anderen Universitäten, die das System übernehmen wollen, unter andrem aus Wien. Das Modell hat für die teilnehmenden Studierenden übrigens noch einen Vorteil: Fällt eine Veranstaltung aus oder wird verlegt, erfahren sie das per SMS.

SANDRA WILSDORF