MEIN FRISEUR
: Ende des Wahnsinns

Entschlossen riss er an meinen Haaren

Mein Friseursalon hat mal wieder den Besitzer gewechselt. Das dritte Mal in einem Jahr. Schade drum, um das Atem-Anhalten und Wundern. Vor einem Jahr begrüßte mich dort eine fröhliche, türkischstämmige Berlinerin, bot mir Kaffee und vor allem Geschichten an. Von der Kundin, der sie beim Kämmen zuflüsterte, sie habe Läuse und dürfe deshalb nicht weiter bedient werden. „Lääuse, iiich?“, rief die empört durch den Salon und verfluchte die Kita ihrer Tochter.

Schön war auch die Geschichte der Lineal-Kundin. Zwei Zentimeter wollte sie ihre Haare geschnitten haben. Am Ende holte sie ein Lineal heraus und maß die abgeschnittenen Haarsträhnen. „Zwei Komma fünf Zentimeter!“, schrie sie und verließ den Laden. Meine fröhliche Friseurin lachte und kraulte mir den Kopf.

Das nächste Mal, als Spitzen-Schneiden dran war, traf ich auf einen neuen, muffeligen Friseur. „Können Sie diese Technik zum Spliss-Rausschneiden?“, fragte ich und drehte zur Illustration an den Haarspitzen. „Mhhm“, kam zur Antwort. Erst viel später wurde mir klar, dass der Muffelige kaum Deutsch sprach. Dafür riss er entschlossen an meinen Haaren, drehte sie tränentreibend zu dicken Strängen und schnitt drauflos wie Edward mit den Scherenhänden. „Hab Gesundbrunnencenter arbeitet“, erklärte er später. Ich wagte nicht einzuwenden, dass ich kein Kopftuch trage, unter dem man verschnittene Haare notfalls verstecken kann.

Dann begann die Mandy-Peggy-Ära. Radio Energy lief in meinem wunderbaren Friseursalon jetzt im Hintergrund, Männergespräche waren zu belauschen. Rosa Plaste-Fingernägel schäumten mir den Kopf ein. Und nun? Eine freundliche Frau mit kohlrabenschwarzen Augen. Waschen, schneiden, selbst föhnen. Keine besonderen Vorkommnisse. Lebe ich noch in derselben Stadt? Berlin, ick vermisse dir. MIRIAM JANKE