Opiumanbau auf Rekordniveau

UNO legt Bericht zu Afghanistan vor. Anstieg der Produktionsflächen innerhalb eines Jahres liegt bei 64 Prozent. Anbau für Bauern jedoch zunehmend unrentabler

WIEN taz ■ Die Opiumproduktion in Afghanistan hat neue Rekordhöhen erklommen. Das ist das ernüchternde Fazit des gestern in Wien und Brüssel präsentierten neuen Afghanistanberichts der UN-Organisation gegen Drogen und Verbrechen (UNODC). Die Produktionsflächen von Schlafmohn haben sich demnach von 2003 bis 2004 um 64 Prozent ausgeweitet. Dass der Produktionszuwachs mit 17 Prozent (auf 4.200 Tonnen) demgegenüber vergleichsweise gering ausfiel, ist dem schlechten Wetter und den Schädlingen zu danken, die den Ertrag pro Hektar von 45 auf 32 Kilogramm gedrückt haben.

Weil in Myanmar und Laos die Drogenbekämpfung relativ erfolgreich war, liefert Afghanistan heute 87 Prozent des weltweit verarbeiteten Opiums. Die Taliban hatten 2001, im letzten Jahr ihrer Herrschaft, dem internationalen Druck nachgegeben und den Opiumanbau fast völlig ausgerottet. Seit dem Sturz des Taliban-Regimes durch die USA und deren Verbündete floriert das Geschäft wieder.

Sandeep Chawla, der die Abteilung für Politikanalyse und Forschung der UNODC in Wien leitet, konstatiert zwar den Beginn einer funktionierenden Demokratie in Afghanistan. Dennoch macht er sich keine großen Illusionen über einen baldigen Rückgang der Drogenökonomie, die heute 60 Prozent des BIP beträgt. Warlords, die weite Teile des Landes beherrschen und weder Regierungstruppen noch ausländische Drogenbekämpfer in ihrem Gebiet dulden, finanzieren ihre Privatarmeen mit dem Opiumhandel.

Was Chawla jedoch optimistisch macht, ist die mittlerweile abnehmende Rentabilität des Opiumanbaus. Zehn Prozent der afghanischen Bevölkerung, das sind rund 356.000 Bauernfamilien, leben direkt davon. Während sie letztes Jahr jedoch noch durchschnittlich 600 US-Dollar daran verdienten, sind ihre Jahreseinnahmen 2004 auf 260 Dollar geschrumpft. Opium ist damit immer noch zwölfmal rentabler als Weizen, doch letztes Jahr betrug die Diskrepanz noch 1:27. Immer besser verdienen die Händler, denn der Verkaufspreis ab Grenze ist stabil geblieben.

Die Berechnungen der UNODC basieren auf Satellitenaufnahmen und den Angaben von lokalen Mitarbeitern vor Ort, die die Bauern besuchen und auch deren Anbaupläne für den kommenden Erntezyklus abfragen. Erstmals wird in allen 32 Provinzen Opium angebaut, die Produktion konzentriert sich aber in den drei Provinzen Hilmand, Nargarhar und Bandakhstan, die insgesamt 56 Prozent der gesamten Ernte liefern.

Mehr als neun Zehntel des Schlafmohnanbaus findet auf bewässertem Land statt, wo er das Getreide, vor allem Weizen, verdrängt. Trotz der enormen Expansion nimmt der Opiumanbau aber nicht mehr als drei Prozent der Ackerfläche ein, Weizen dagegen noch immer 39 Prozent.

RALF LEONHARD