Rettet die brasilianischen Holzfäller!

Brasiliens Umweltministerin will 16.000 Quadratkilometer Regenwald in Schutzzone verwandeln. Holzfirmen protestieren: Zehntausende Arbeitsplätze seien gefährdet. Auch Präsident Lula fürchtet, Umweltschutz behindere Entwicklung der Region

AUS PORTO ALEGRE GERHARD DILGER

Es wird enger für die Holzmafia in Ostamazonien. Seitdem die brasilianische Umweltbehörde Ibama in den letzten Monaten ihre Kontrollen im Bundesstaat Pará verstärkt hat, häufen sich die aggressiven Proteste der Holzfäller. Zunächst setzten über 300 aufgebrachte Demonstranten in einem Hotel von Medicilândia ein Team von Umweltinspektoren und Polizisten fest. Dann belagerten ebenso viele in Porto de Moz das Greenpeace-Schiff „Arctic Sunrise“, das sich mit 40 Leuten an Bord seit fünf Wochen in der Region aufhält. Sollte sich Umweltministerin Marina Silva mit ihrem Bioreservat durchsetzen, stünden zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel, so der Tenor all derer, die vom Holzabbau in der Region profitieren.

Bei Porto de Moz am Amazonas-Nebenfluss Xingu beschlagnahmten die Inspektoren der staatlichen Umweltbehörde 8.000 Kubikmeter Holz und diverse Geräte, die im Wald versteckt waren. Zugleich häufen sich die Drohungen gegen die Sprecher der 15.000 verstreut in der Region lebenden Menschen, die sich schon seit drei Jahren für die Gründung des 16.000 Quadratkilometer großen Reservats einsetzen.

Die meisten Holzfirmen agierten illegal auf öffentlichem Land, sagt Greenpeace-Koordinator Paulo Adário. Ihr Bewirtschaftungspläne seien mit „zweifelhaften Dokumenten“ erschlichen worden: „Wenn die Regierung nicht bald das Reservat ausweist, wird die Chance vertan, die Gemeinschaften der Region selbst ihre Umwelt schützen zu lassen.“

Für Adário ist das Vorgehen der Holzlobby gegen die Staatsbeamten nur der jüngste Beleg für die „Gesetzlosigkeit“ in Pará. Von Süden her bereiten Landräuber den Holzfirmen mit Wildwestmethoden den Boden. Allein 2003 wurden in São Félix do Xingu 30 Landarbeiter und Kleinbauern ermordet. Die abgelegene Gemeinde ist zudem die Hochburg sklavenähnlicher Arbeitsverhältnisse in Brasilien – tausende verarmter Zuwanderer roden den Regenwald im Auftrag von Viehzüchtern und Holzfirmen. „Diese Entwicklung geht auf Kosten der Umwelt, der traditionellen Gemeinschaften und der Kleinsiedler“, so Adário. „Die Armen haben keine Dokumente, keine Anwälte, und anders als ihre Feinde haben sie auch nicht die Lokalpolitiker und Richter in der Tasche.“

Immerhin mehren sich die positiven Signale aus der Hauptstadt Brasília. Justizminister Márcio Thomaz Bastos verstärkte bereits die Präsenz der Bundespolizei in Pará. Und die Umweltbehörde Ibama berichtet in einer Zwischenbilanz: 182 Firmen seien bei „kriminellen Aktionen“ ertappt worden, darunter illegaler Holzeinschlag, Steuerhinterziehung und Transport mit gefälschten Dokumenten.

Die Gründung des Reservats stehe allerdings noch nicht an, fürchtet Airton Faleiro von der Arbeiterpartei PT. Die Zentralregierung wolle sich nämlich mit Gouverneur Simão Jatene einig werden, und der wolle höchstens sanften Druck auf die Holzwirtschaft ausüben. Bestätigt wurde er durch den Auftritt von Präsident Lula auf der ersten nationalen Umweltkonferenz in Brasília, die vorgestern zu Ende ging. Alle Regierungsebenen müssten zusammenarbeiten, „damit die Umwelt nicht zum Hindernis für die nachhaltige Entwicklung wird“, so Lula wörtlich.