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: Der schiefe Turm von Steinhausen

Weil ein Volksentscheid künftig Hochhäuser in München verhindern könnte, fordert der Süddeutsche Verlag von seinen Mitarbeitern Haltung

Der 9. November ist auch für die Süddeutsche Zeitung ein historischer Tag. Nein, nicht wegen der Mauer 1989. Allerdings geht es auch heuer um Baumaßnahmen: „Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, schreibt am 9. 11. die Geschäftsführung des Süddeutschen Verlags (SV), „wenn Sie in München wohnen, entscheiden Sie am 21. November mit über eine Zukunftsfrage für den Süddeutschen Verlag und für die Stadt.“ Hups: Das ist ja schon diesen Sonntag! Und ist Ihnen bei der Reihenfolge was aufgefallen?

In München geht es um einen Bürgerentscheid, ob künftig Hochhäuser über 100 Meter Höhe noch gebaut werden dürfen. „Vom Bürgerentscheid an diesem Tag hängt es ab, ob der SV sein Hochhaus in Steinhausen bauen kann“, sorgen sich SV-Geschäftsführer Hanswilli Jenke und Klaus Josef Lutz. „In dem Hochhaus wollen wir unsere angemieteten Bürostandorte aus ganz München zusammenfassen. (…) Nach drei Jahren Medienkrise sind wir nun ganz besonders darauf angewiesen, wirtschaftlich zu arbeiten.“

Stimmt: Das Filetgrundstück in der Sendlinger Straße gleich links vom Viktualienmarkt ist verkauft – der Verlag hat es nur bis 2008 vom neuen Eigentümer zurückgemietet. „Ein erzwungener Stopp des Projekts würde den Verlag deshalb in ernste Schwierigkeiten bringen“, heißt es weiter, und: „Deshalb bitten wir Sie: Gehen Sie am 21. November zur Wahl und stimmen Sie (...) mit NEIN gegen das Bürgerbegehren. Sprechen Sie auch mit Freunden, Bekannten und Verwandten über das Thema. Es kommt auf jede Stimme an!“ Und auf die Süddeutsche-Leser, sollte man meinen. Nun wäre die SZ nicht die SZ, wenn sie plump auf Agitation setzte. Wir haben mal „Medien-Tenor“ gespielt: Die konkrete Berichterstattung über die SPD-eigenen Widersacher in diesem Streit, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (>100) und sein Amtsvorgänger Georg Kronawitter (<100), ist schon okay.

Aber was sagen uns solche Titel: „Hochhaus-Befürworter machen mobil / Politiker, Geschäftsleute (…) befürchten schweren Schaden für die Wirtschaft“ (9. 11.) – „Eine Großstadt muss für Neues offen sein / Was die Chefs der Rathäuser von Hamburg, Köln und Frankfurt vom Hochhaus-Entscheid von München halten“ (nichts nämlich, 13. 11.) – „Moderne Firmen wollen moderne Turmbauten / Große Nachfrage, viele Eigennutzer: Wie Hochhaus-Befürworter das Argument vom Büro-Leerstand entkräften“ (18. 11.) Entsprechende „Gegenmunition“ pro Bürgerentscheid findet sich jedenfalls nicht im Blatt. Womit wir nichts gesagt haben wollen: Wie beim echten „Medien-Tenor“ sind diese Ergebnisse natürlich höchst umstritten. STEFFEN GRIMBERG