press-schlag
: Die prustende Suche nach der verlorenen Zeit

Während Werders Trainer Schaaf diesmal keinen Grund hat, sich über anders gehende Uhren zu beschweren, lässt Schalke die Herzen wieder höher schlagen

Die spannendste Entscheidung des 14. Spieltags stand in Bielefeld an: Wann würde Markus Merk das Spiel der Werderaner aus Bremen bei den Arminen abpfeifen? Zu früh zum Ausgleichen? Zu spät zum Siegen? Mitten beim Doch-nicht-Verlieren? Gar nicht? Leider war am Ende der Konferenzschaltung von der gellendsten öffentlich-rechtlichen Rauchmelderin aller Zeiten, Sabine Töpperwien, darüber nichts zu erfahren. Na ja, wer in der Stilblütenschale kramen muss („Das ist aller Bonnör, was die Bochumer hier spielen“, hat sie mal gehäckselt – sie meinte wohl „aller Ehren wert“ oder sowas), hat keine Zeit, nach der Uhr zu sehen. Geschweige denn aufs Spielfeld.

So fand die Suche der prustenden Spieler nach der verlorenen Zeit also doch anderswo statt, nämlich in Berlin. Es mag Werders Trainer Thomas Schaaf zwei Wochen nach Herthas Last-Second-Tor zum 1:1 trösten, dass die Devise „Ich lasse bis zu Herthas Ausgleich spielen“ keine speziell gegen Bremen gerichtete Schiri-Maßnahme ist, sondern eher ein Ausdruck des Mitleids mit Falko Götz. Der arme Hertha-Trainer muss schließlich Woche für Woche mit ansehen, wie seine Mannschaft einem tragischen Missverständnis zum Opfer fällt: Das Kompliment, Hertha habe die stärkste Abwehr der Liga, beziehen leider vor allem die stürmenden Herren Bobic, Wichniarek, Rafael etc. auf sich – und setzen es mit eindrucksvoller Menschenfreundlichkeit zugunsten der anderen um. Und so musste der Berger in Rostock nur drei Tage lang kreißen – und gebar immerhin einen Punkt für Hansa. Und das mit einer Truppe, die sich in der Woche zuvor sechs Dinger von der Durchschnittstruppe HSV eingefangen hatte. Das sicherste Rezept für die Abwehrreihen der Liga, den eigenen Kasten sauber zu halten, ist es derzeit eben, einfach mal nach Berlin zu fahren. 90 Minuten lang geht das allemal gut. Nur eben keine 93.

Herthas Sieg auf Schalke letzte Woche war also beiderseits keine Trendwende, sondern nur ein Betriebsunfall. Die Schalker bewiesen bei den (bisher immerhin heimstarken) Leverkusenern, dass sie ein ernsthafter Titelkandidat sind. Sie lassen den Ball so abgezockt laufen wie vor einem Jahr die Bremer – kein Wunder, bei teilweise identischem Personal. Und sie profitierten von der phonetischen Ignoranz der Leverkusener: Was bei Manni Breuckmann nach dem Freistoß zum 0:3 so logisch klang – „Lincoln in den linken Winkel“ –, hätte Butt sich doch vorher denken können.

Wenn sich die Schalker im Rückspiel gegen Bayern München keinen Ausrutscher wie zuletzt gegen Hertha leisten, kann der Herzschmerz von 2001 diesmal vielleicht geheilt werden. Es sei denn, es kommt wieder eine 93. Minute.

OLIVER THOMAS DOMZALSKI