Erst der Genhofer, jetzt der angriffslustige Biohofer

GENPFLANZEN Bayerns Ministerpräsident Hort Seehofer spricht sich gegen Gentechnik aus. Als Bundeslandwirtschaftsminister hat er sie gefördert

MÜNCHEN taz | In seinem Kampf gegen die Gentechnik scheint für den Horst Seehofer (CSU) kein Gegner mehr zu groß. „Seehofer will EU die Kompetenz zur Genpflanzen-Zulassung entziehen“, meldet am Mittwoch eine Nachrichtenagentur. Das Land Bayern wolle selbst darüber entscheiden, ob dort gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut würden, habe Seehofer in einem Interview gesagt. Das klingt angriffslustig, fast anmaßend. Doch es unterscheidet sich kaum von dem, was Seehofer voriges Jahr als Bundeslandwirtschaftsminister gefordert hatte.

„Ich möchte bei der EU erreichen, dass jede Kommune selbst entscheiden kann, ob sie Genmais anbaut oder nicht“, sagte er damals. Da wurde er bei seinen Auftritten noch von Gentechnikgegner belagert, die ihn als „Genhofer“ beschimpften. Doch die Aktivisten wussten nie so recht, ob sie gegen einen Fan oder einen verkappten Gegner der Gentechnik demonstrierten.

Während sich Seehofer öffentlich vorsichtig von der Gentechnik distanzierte, legte er die Grundlage für eine Ausbreitung von Genmais und Genkartoffeln. Unter seiner Leitung entwarf das Landwirtschaftsministerium ein Gesetz, mit dem die strengen Regeln zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gelockert wurden. Vor zwei Jahren erlaubte seine Verwaltung den Anbau der Genkartoffel Amflora der Firma BASF zu Versuchszwecken auf stattlichen 155 Hektar Ackerfläche.

Seehofers Parteifreunde in Bayern erlaubten großzügige, jahrelange Freilandversuche mit Genmais. Man betrachtete die Pflanzen als Zukunftstechnologie. Doch selbst viele CSU-Wähler wollten davon nichts wissen. Für diese Bedenken hatte Seehofers Nachfolgerin im Agrarministerium, Ilse Aigner, eher wenig übrig. Auf Fragen nach dem Verbot von Genmais antwortete sie allenfalls im Konjunktiv: „Es ist durchaus wahrscheinlich, dass ich dagegen sein könnte.“ Auf sie übt Seehofer nun besonders viel Druck aus.

Nach dem Verbot des Genmaises MON 810 soll Aigner auch die einst von Seehofer genehmigte Genkartoffel Amflora verbieten. Da sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Forschungsministerin Annette Schavan für den Amflora-Anbau sind, ist der Erfolg der bayerischen Verbotspläne mehr als fraglich. Aus CSU-Kreisen heißt es, Seehofer wolle die Glaubwürdigkeit der CSU bei den Europa- und Bundestagswahlen sichern.

Obwohl Seehofer mittlerweile gegen die grüne Gentechnik vorzugehen scheint, klingt es nicht, als handle er aus Überzeugung. Zum Thema Genmais sagt er im Interview mit der Zeit: „Wir in Bayern wollen das bei dem derzeitigen Forschungsstand nicht.“ Das klingt beinahe so, als könnte sich der Forschungsstand auch wieder ändern. Spätestens nach den Wahlen.

BERNHARD HÜBNER