Punky Spoul mit Donnergroove: Die „Dirtbombs“ explodieren im Molotow
: Verflucht verrucht

Geben wir es ruhig zu. Den neuesten Diventratsch finden wir langweilig, das blasierte Promigepöbel über Kollegen zwischen zwei Buchdeckeln, genannt Autobiographie, öde. Stattdessen verschlingen wir Berichte über „normale“ Menschen und ihr grandioses Scheitern. Am liebsten lauschen wir Geschichten über Querköpfe, Menschen, denen in Liebesdingen übel mitgespielt wurde oder denen andere himmelschreiende Ungerechtigkeiten widerfuhren. Ob mittels Buch berichtet wird oder durch die Stereoanlage, ist egal. Wichtig ist, dass die Anleitung zur Auflehnung der Gebeutelten gleich mitgeliefert wird: Drogen einwerfen, abhauen, Geld klauen, ihr wisst schon.

Allerdings soll die Sache glaubhaft sein. Gerade von den Erzählern wird verlangt, dass sie im Milieu der Mittellosen und Rebellen auch wirklich heimisch sind. Die Dirtbombs aus Detroit City umgibt zu Recht das Flair des Verruchten – und darum sind sie heißer als die Strokes, die Libertines, die Hives und alle MTV-gesponserten Neo-Nietenrocker zusammen.

Ihr Mann am Mikro, Mick Collins, steht schon über ein Jahrzehnt mit seiner Kaputtnikgitarre auf den Brettern übel beleumundeter Musikclubs. Auch vom fruchtlosen Tourleben in Europa kann er sein eigenes Lied singen: Als er vor zig Jahren mit den Gories die Republik bereiste, jagte ihr Minimalsound aus zwei völlig verstimmten Gitarren und stolpernden Rhythmusschlägen selbst Hartgesottene vor die Tür.

Die Band gab jedenfalls auf. Mick Collins führte seine auf Punk und Blues basierende Musik mit anderen fort, als Blacktop, The Screws, King Sound Quartett und gründete schließlich die Dirtbombs. Heute scheint die Zeit reif für den rauhen Sound aus der Detroiter Garage: Die zweite Platte, eine Partybombe aus punky Soul, trieb den wenigen Kennern Freudentränen in die Augen, der jüngste Longplayer Dangerous Magical Noise wird nun auch schon vom Musikmagazin Spex gelobt. Mit Donnergroove (zwei Schlagzeuger!), einer Prise Glamrock, Gnade-euch-Gott-Gitarrensoli und des Meisters markanter Stimme verschaffen uns die Dirtbombs live den ersehnten Rock‘n‘Roll-Overkill – gerade rechtzeitig, bevor uns die Völlerei der Feiertage mit einem belanglosen Buch auf die Couch verschlägt.

Susie Reinhardt

Sonntag, 22 Uhr, Molotow