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: Ein paar aufklärerische Gedanken über die aufklärerische Funktion der Studentenstreiks

Neulich wurde sich an dieser Stelle noch in herablassender Weise über die streikende Studentschaft mokiert. Wie man jedoch jetzt – nach Wochen des tapferen Aufbegehrens gegen schmerzhafte, aber wahrscheinlich absolut notwendige und völlig gerechtfertigte Sparbeschlüsse – erkennen muss, war diese Haltung unter Umständen falsch.

Gewiss, das ständige Zu-Grabe-Tragen der Bildung, das öffentliche Simulieren von Vorlesungen, das szenische Nachstellen von unzumutbaren Studienbedingungen, das In-die-Trillerpfeife-Pusten, Flugblätter-verteilen, Aufkleber-Anpappen und In-Kleingruppen-unter-Missachtung-der-Verkehrsregeln-über-die-Straße-Rennen bleibt wie all die anderen Maßnahmen der studentischen Widerstandsfolklore nach stilistischen Gesichtspunkten auch weiterhin eine unbedingte Zumutung.

Andererseits zeitigt das aufgeregte Gewese einen wunderschönen, wenn auch nicht ganz beabsichtigten Effekt: Der gemeine Student, der sich nun voller Enthusiasmus ins Streikgetümmel stürzt, wird, wenn sich die Situation erst wieder beruhigt hat, ganz von selbst erkennen, dass er sich für die Sache, von der er meint, sich für sie eingesetzt zu haben, eigentlich nie wirklich interessierte.

Er wird noch aufgewühlt in all jene Seminare und Vorlesungen, die er auch vorher nur mit Widerwillen besuchte, zurückkehren und feststellen, dass sich dieser grundlegende Widerwille wohl nicht einfach wegstreiken ließ, weil er im Grunde nichts mit irgendwelchen Etatkürzungen zu tun hatte, sondern mit dem Fehlen der jeweils individuell notwendigen Begeisterung. Denn wenn der Kampf für das Studium – das Beschriften von Transparenten und Herumlungern in Senatsgebäuden – im Rückblick interessanter erscheint als das Studium selbst, ist es die schönste Konsequenz, es mit dem Studium gleich zu lassen.

Der Studentenstreik, der nach einem bislang noch unerforschten Naturgesetz offenbar alle paar Jahre über die Universitäten hereinzubrechen scheint, hat für den jeweiligen Studenten demnach eine durchaus aufklärerische Qualität. Er führt dem Studenten über einige Umwege vor Augen, dass er nicht der vorgeblichen Durchsetzung studentischer Interessen gilt, sondern der Emanzipation des Studenten von sich selbst. Und nicht nur das: Für die Universitäten haben Streiks einen ordnenden Effekt, der den Laden besser aufräumt, als fiese Aufnahmeprüfungen oder irgendein Numerus clausus es jemals könnten. Kämen die Streiks nicht wie von selbst, müssten die Unis sie erfinden.

Natürlich funktioniert der Streik bei manchen anders. Sie zeigen sich gegenüber seiner erhellenden Wirkung absolut resistent und scheinen – nachdem sie sich wochenlang in aller Öffentlichkeit eingeredet haben, sie würden sich für dieses und jenes interessieren – felsenfest davon überzeugt, es auch tatsächlich zu tun. Was wiederum die Folge hat, dass sie nach Beendigung des Streiks sich beispielhaft dem Studium ihrer Wahl widmen, wogegen man natürlich im Grunde nichts sagen kann. Bemerkenswert ist dabei jedoch, wie nah Aufklärung und Autosuggestion mitunter beieinander liegen und je nach Kondition und Wetterlage ihre Kräfte walten. Die Studenten, die über den Studentenstreik zu Studenten werden, und die Studenten, die über denselben Weg sich von ihrem Studentendasein befreien, gehen in diesem Sinne als Gewinner nach Haus, während hingegen solche, die den Streik als Studenten beginnen, um ihn als Studentenstreikführer zu beenden, wohl dafür verantwortlich sind, dass auch beim nächsten Mal das Streikstilempfinden wieder aufs Übelste beleidigt wird. Ihnen sollte deshalb unsere geballte Abneigung gelten. HARALD PETERS