Ruf nach Kriegsschiffen

PIRATERIE-BEKÄMPFUNG Reeder fordern ein verstärktes Engagement der Kriegsmarine vor der somalischen Küste. Doch die Militärs winken ab

Nachdem die Zahl der Überfälle jahrelang rückläufig war, ist die Seepiraterie wieder auf dem Vormarsch:

■ Im Jahr 2008 wurden 293 Piratenüberfälle gemeldet, 111 davon vor der Küste Somalias.

■ In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden bereits 102 Übergriffe durch Piraten vor Somalia gezählt.

■ Das vorerst letzte Schiff eines Hamburger Eigners, das überfallen wurde, ist der Getreidefrachter „Patriot“ (Reederei Johann M.K. Blumenthal). Der Überfall wurde am Wochenende gemeldet.

Obwohl die Zahl der Piratenangriffe vor der somalischen Küste steigt, lehnt Hans-Heinrich Nöll, Geschäftsführer des in Hamburg ansässigen Verbandes deutscher Reeder, eine Bewaffnung von Handelsschiffen strikt ab. „Selbstverteidigung ist hier keine Option. Wir nutzen die angebotene Hilfe der maritimen Streitkräfte“, sagte Nöll am Freitag auf einer Piraterie-Konferenz in Hamburg.

Bisher sind Piraten glimpflich mit ihren Geiseln umgegangen. Von 178 festgehaltenen Seeleuten im vergangenen Jahr wurden neun verletzt und zwei getötet. Wenn an Deck der Handelsschiffe in Zukunft bewaffnetes Personal Wache schiebt, könnte das den Konflikt schnell radikalisieren. Spätestens nach der gewaltsamen Befreiung des Kapitän Richard Phillips durch die US Navy, bei der drei Piraten erschossen wurden, ist die Gewaltbereitschaft unter den Piraten gestiegen.

Manche Reeder fordern darum die internationalen Verbände auf, die somalischen Häfen zu blockieren und Piraten direkt abzufangen. „Kriegsschiffe sollten auf Piratenjagd gehen“, sagt Stefan Bülow von der Reederei John T. Essberger. „Die Mutterschiffe der Piraten müssen aufgespürt und neutralisiert werden“.

Auf der Konferenz, die am Internationalen Seegerichtshof abgehalten wurde, forderten die Reeder ein entschiedenes Handeln von Seiten der Politik. Die Präsenz der Schutzschiffe sei wichtig, aber noch längst nicht ausreichend, sagt Reederverbands-Geschäftsführer Nöll. Die Staatengemeinschaft müsse ihre Marineverbände besser abstimmen und die rechtliche Legitimation haben, Piratenschiffe anzugreifen.

Hans-Joachim Stricker, Befehlshaber der deutschen Marine, wiegelte ab. Der Hauptauftrag der EU-Mission „Atalanta“ liege im „Schutz der Handelsschiffe“ und nicht in der Piratenjagd. Die sei alles andere als einfach, ist aus Offizierskreisen zu hören. Entlang der über 3.000 Kilometer langen Küste Somalias gebe es nur drei größere Häfen. Die Piraten nutzten kleine schnelle Boote, die nicht auf Häfen angewiesen seien.

Am vergangenen Samstagabend versuchten Piraten, das Kreuzfahrtschiff MSC Melodie mit 1.427 Menschen an Bord zu entern. Dabei kam es zu einem heftigen Schusswechsel zwischen den Piraten und den Sicherheitskräften der MSC Melodie. Der Angriff konnte abgewehrt werden. Das nächste Schiff der Schutzverbände soll zum Zeitpunkt des Überfalls über 100 Seemeilen entfernt gewesen sein. JOSEPH VARSCHEN