Hach, ich brauch’ nix!

Väter sind Menschen ohne Wünsche. Jedes Jahr an Weihnachten wird das zum Problem und endet immer wieder im SOS-Notprogramm – Schlips, Oberhemd und Socken. Ein Erklärungsversuch

Keine Frage bei Muttern: Neulich, beim Einkaufsbummel, war sie doch begeistert von dieser Hose aus Tweed – die gibt’s zu Weihnachten. Oder sie bekommt eine selbst gebrannte CD mit ihren Lieblingsliedern. Oder man hakt doch nochmal nach, und erfährt, wie fein es doch wäre, wenn sie mehr ausländische Radiosender hören könnte – aha, ein Weltempfänger, folgern wir und fühlen uns wie der Weihnachtsmann persönlich.

Hingegen bei Vaddern: Beim gemeinsamen Einkauf hat er meist deprimiert ins Leere gestarrt, seine CDs sind nicht nur zahlreich, sondern auch alphabetisch katalogisiert, und wenn man ihn fragt, was er sich wünscht, sagt er: „Ich brauch’ nix.“ Und so rennt man am letzten Samstag vor Weihnachten kopflos ins Kaufhaus, funkt SOS – Schlips, Oberhemd, Socken – und ist einmal mehr erschüttert über die eigene Herz- und Ideenlosigkeit. Doch liegt es wirklich an uns, dass Väter immer nur doofe Dinge zu Weihnachten bekommen? Oder liegt es nicht vielmehr an den Vätern selbst?

Wir fragen einen Wissenschaftler. „Männer sind gewohnt, dass sie es sind, die die Beute jagen“, sagt Gerhard Amendt, Professor am Institut für Geschlechter- und Generationenforschung der Universität Bremen. Sie verstünden sich als diejenigen, die es bringen müssten, nicht die, die etwas annähmen – „eine kulturelle Determinante“. Deswegen seien sie „bedürfnisloser“ und nicht so narzisstisch wie Frauen, die sich nach Rosen und Geschenken sehnten. Halten wir fest: Keine Bedürfnisse, und wenn doch mal eines aufflackert, dann jagt der Mann es selbst.

Anruf bei der Kirche. „Männer können ihre Wünsche nicht so zulassen“, sagt Detlef Kleine, Referent für Männerarbeit bei der Evangelischen Kirche Deutschland. Sie hätten Schwierigkeiten, ihre Gefühle wahrzunehmen. Dieser Bereich sei durch die einseitige Erziehung verstümmelt „durch dieses ‚ein Indianer kennt keinen Schmerz‘.“ Wir lernen: Väter haben Wünsche zu Weihnachten, und kennen sie selbst nicht.

Und was meinen die Medien? „Mein Vater hat auch immer von sich gesagt: Ich kann mir alles selber kaufen“, bestätigt Ralf Ruhl, Chefredakteur der Väter-Zeitschrift „paps“. Und das sei ja auch gar nicht so falsch: Väter verdienten in der Regel immer noch das meiste Geld in der Familie, und seien so kaum durch Hochpreisiges zu beeindrucken. Außerdem seien ihre Hobbys oft kostspielig: „So ein Autotick ist ja viel teurer als ein Schuhtick.“ Und àpropos Hobby: Wenn sie dann ein Hobby pflegten, werde es mit großer Akribie betrieben, so dass Angehörige oft Probleme hätten, das Richtige zu schenken. Fazit: Väter haben Wünsche, die man entweder nicht bezahlen kann oder nicht kapiert.

Soweit die Erklärungen, ein komplexes Gewirr, doch wo ist der Ausweg? „Das dauert noch Generationen, bis sich da was verändert“, sagt Kleine von der Evangelischen Kirche. Männer und Frauen müssten grundsätzlich etwas an ihrer Rollenaufteilung verändern: Frauen nicht den Bereich des Emotionalen so sehr für sich beanspruchen und ihre Gatten stärker in die Kindererziehung einbinden. Männer weniger den Ernährer spielen und mehr Kontakt mit ihren Gefühlen pflegen. Ein langfristiges Projekt also, aber Weihnachten ist in vier Wochen.

„An den richtigen Stelle nachfragen,“ rät „paps“-Chefredakteur Ruhl. Die Hobbys der Väter nicht belächeln, sondern begleiten, auch mal Freunde und Vereinskameraden befragen, was der Vater sich wünscht. „Sich da reinzudenken, braucht Zeit.“ Und Zeit sei generell das Stichwort – mehr davon sollte man mit den Vätern verbringen. Vielleicht auch gemeinsame Zeit verschenken, einen Theaterbesuch oder einen Tag auf dem Fußballplatz – den wünscht Ruhl sich von seinem eigenen Sohn. Und die anderen Experten, was wünschen die sich? „Das verrate ich nicht“, sagt Professor Amendt. Und Referent Kleine sagt: „Na, nichts, natürlich.“

Dorothea Siegle