Von Weinen, bei denen jeder Schluck anders schmeckt

Berliner Weinläden (13): Was ist guter Burgunder? Roland Kretschmer von „Les Climats“ hilft

 Die Weinhandlung: Les Climats, Hannoversche Straße 1, 10115 Berlin, U Oranienburger Tor, www.lesclimats.com, Tel. 29 00 12 12, Öffnungszeiten: Mi.–Fr. 12–20 Uhr, Sa. 12–18 Uhr

Das besondere Angebot: Bei Les Climats kann man eigene Weine lagern. Bei nur wenigen Flaschen kostet dies nichts, der Rest ist Verhandlungssache.

Der Weintipp von Roland Kretschmer: 2004 Montagny 1er Cru, Cuvée de l’Éleganté, Domaine Le Grégoire, 14,50 Euro. „Der Weißwein hat eine tolle Balance von floralen und mineralischen Noten. Er duftet nach Pfirsichblüten, nach Wiesen und hat eine feine Säure. Genießen kann man ihn auch ohne Essen.“

Zuletzt besprochen: Cave du Connaisseur, Zabel-Krüger-Damm 61a: Seltene Weine. Der Rioja-Weinspezialist, Akazienstraße 13: Nordspanische Weine.

Der nächste Teil der taz-Serie erscheint am 26. Mai

Wer einen Laden für Weine aus Burgund aufmacht, muss in seinem Leben schon ganz schön viele dieser Weine getrunken haben. Schließlich gibt es in ganz Europa keine andere Weinregion, in der es schwieriger ist, sich zurechtzufinden. 60.000 Winzer zählte das Gebiet zwischen Dijon im Norden und Macon im Süden in den 70er-Jahren. Heute sind es zwar nur noch 4.000, doch ihre Weine unterscheiden sich von Parzelle zu Parzelle und von Jahr zu Jahr. „Im Burgund haben sie nie den besten Wein getrunken, es gibt immer noch einen besseren“, behauptete vor Jahren stolz ein französischer Winzer. „Man kann es aber auch“, so ein deutscher Journalist, „umgekehrt sehen: Sie haben dort nie den schlechtesten Wein getrunken, es gibt immer noch einen schlechteren.“

All dies weiß selbstverständlich auch Roland Kretschmer. Dennoch hat er es gewagt und im September in Mitte eine Weinhandlung nur für Burgunder aufgemacht. „Les Climats“ heißt sie, ein Ausdruck, den es nur im Weinbau von Burgund gibt, der sich nicht übersetzen lässt und sowohl Boden wie Mikroklima einer Lage meint. Und genau das ist für Kretschmer, 41, das Besondere des Burgund: „Die Mineralität des Bodens zeigt sich nicht nur in den weißen, sondern auch in den roten Weinen. Die Frucht schlägt einem nicht wie die Faust auf die Nase, es gibt viele zarte, florale Noten. Nicht nur jeder Wein, jeder Schluck eines Weines schmeckt anders.“

Wie die meisten seiner Berliner Kollegen ist Kretschmer kein Sommelier, sondern Quereinsteiger. Der gebürtige Ravensburger arbeitete als Cutter für die Deutsche Welle, machte Radioreportagen und eine Sprecherausbildung. Als er Ende der 90er ins Burgund kam, war er fasziniert von der Offenheit der Winzer, die ihm bereitwillig ihre Keller öffneten. Bis heute importiert Kretschmer seine Weine selbst, kauft sie also nicht bei Großhändlern. Was seinen Kunden einen ziemlichen Preisvorteil bringt. In Kaufhäusern zahlen sie häufig das Vierfache des Einkaufspreises vor Ort.

Es gibt zwar auch bei „Les Climats“ zwei Weine, für die man über 100 Euro hinlegen muss – einen Chambertin „Clos de Béze“ von Bruno Clair und einen Echezeaux Grand Cru der Domaine Guyon – die Mehrzahl kostet zwischen 10 und 30 Euro. Ganz große Namen fehlen – mit Ausnahme des „großartigen“ Bruno Clair. Kretschmer: „Clair hat Weinberge, auf denen Weinstöcke wachsen, die 90 Jahre alt sind. Vor allem behandelt er jeden Wein mit der gleichen Sorgfalt. Egal ob es ein einfacher Burgunder oder ein Grand Cru ist.“

Mit Hilfe von zwei Weinen Bruno Clairs kann Kretschmer aber auch zeigen, wie unterschiedlich Burgunder sein können, die zwar vom selben Winzer und der selben Appellation, aber verschiedenen Weinbergslagen stammen. So entdeckt man im „Les Vaudenelles“ aus Marsannay Veilchennoten, er ist hellfarbiger und leichter als der würzige, kräftige „Les Longeroises“.

Wie viele andere Winzer im Burgund stellt Bruno Clair Bioweine her – nur nennt er sie nicht so. „In den 70er-Jahren“ erklärt Kretschmer, „hatte mancher Weinberg im Burgund weniger Mikoorganismen als die Sahara. Da begriffen die Winzer, dass sie ihre Böden nicht länger vergiften dürfen. Burgund ist heute ein modernes Anbaugebiet. Moderne bedeutet hier jedoch nicht Manipulation des Weins, sondern Respekt vor dem Boden.“

„Moderne bedeutet nicht Manipulation des Weins, sondern Respekt vor dem Boden“

Modern ist aber noch etwas anderes. Im Unterschied zu Bordeaux, wo sich immer mehr internationale Investoren einkaufen, gibt es im Burgund eine Regel, die beim Verkauf von Weinbergen kleinen Winzern besondere Ankaufsrechte sichert.

SABINE HERRE