Schlafen auf der Nachttanke

Leben und Sterben eines höllisch hellen Radioweckers. Eine Gerätetragödie

„Die Helligkeit des Displays passt sich automatisch der Raumhelligkeit an“

Vor kurzem habe ich einen neuen Radiowecker gekauft. Und mich geärgert. Vordergründig deshalb, weil das Display unser Schlafzimmer durch sein grelles, bläuliches Licht in eine nächtliche Aral-Tankstelle verwandelte. Und sich nicht herunterdimmen ließ. In der Gebrauchsanleitung hieß es stolz: „Die Helligkeit des Displays passt sich automatisch der Raumhelligkeit an.“ Tat sie auch – aber leider eher wie ein Suchscheinwerfer. Ein Gerät, das uns zwar wecken, aber nicht die ganze Nacht wachhalten soll, stelle ich mir anders vor. Irgendwie dezenter. Ein Wunder, dass niemand in unser Schlafzimmer fuhr, um zu tanken.

Eigentlich aber hat mich etwas ganz anderes genervt an diesem Radiowecker. Und mich bestärkt in dem kategorischen Beschluss: In unseren Haushalt werden Geräte mit mehr als zwei Knöpfen nicht mehr aufgenommen!

Dabei hatte ich mich schon daran gewöhnt, dass die Welt der Technik auf meine positive Anteilnahme keinen gesteigerten Wert legt. Vielmehr treiben die Ingenieure, Konstrukteure, Produktdesigner und Gebrauchsanleitungsschreiber ihren onanistischen Spaß mit mir: „Das wollen wir doch – hechel, hechel – mal sehen, wie dieser – wichs, wichs – promovierte Akademiker da versucht, einfach so – reib, reib – unser schickes Toaster- / Videorecorder- / CD-Player- / Computer- / Handy-Modell in Betrieb zu nehmen. Da kann ja jeder – spritz, spritz – kommen. Buhahahahaha!“

Und so werden mir Computer verkauft, die zwar alles Mögliche können, was ich nie brauche, aber dafür so schwerfällig und instabil sind, dass das wenige, was ich brauche, nicht klappt. Es ist, als wollte mir jemand ein Fahrrad verkaufen, das acht Tonnen schwer ist, und auf meinen Hinweis, das würde ich doch gar nicht die Treppe hinaufbekommen, stolz entgegnet: Aber dafür können Sie damit Brückenpfeiler transportieren.

Zusätzlich scheren sich die Konstrukteure von Unterhaltungselektronik einen Dreck um das schöne Prinzip der Normierung. So wird Software mit jeder neuen Version gern ein wenig verändert – auf dass man Routinegriffe jedes Mal neu lernen muss. Das hätte ich mal meiner Tochter zumuten sollen: Kaum hat sie gelernt, mit Messer und Gabel zu essen, drücke ich ihr einen Spaten und eine Zahnbürste in die Hand und sage: „So, jetzt versuch’s mal mit der Besteckversion 6.0.“

Seit einiger Zeit jedoch ist eine dramatische Verschärfung der Lage eingetreten. Technische Geräte sprechen nun endgültig jeder menschlichen Vernunft und Erfahrung Hohn. Wer einmal einen Videorecorder neuerer Bauart programmiert hat, weiß, wovon ich spreche: Da hat man sich endlich durch die entwürdigende Prozedur aus Zeiteinstellung, Programmwahl, Bandgeschwindigkeitswahl, Showview-Verwirrungsabwehr et cetera gefräst und stolz seine erste „Sportschau“ programmiert – und dann kommt man nach Hause und findet einen grinsenden Recorder vor, der einem sagt: „Tja, das war leider noch nix. Und weißt du, warum? Na, du hättest mich natürlich ausschalten müssen. Ja, weißt du das denn nicht?! Ein modernes technisches Gerät muss man ausschalten, damit es das tut, was man will. Ja, ich weiß, das ist bei meinen altmodischen Geschwistern Staubsauger-Herd-Toaster-Auto-Mikrowelle-Radio-Motorsäge-Föhn-Bohrmaschine-Lampe anders, und sogar bei meinen nahen Verwandten Handy, Fernseher und Computer – aber bei mir eben nicht. Und bei Radioweckern neuerdings auch nicht. Hähä …“

Schon gut, schon gut – aber der neue Radiowecker hatte noch was: Bei ihm leuchtete nämlich das rote Lämpchen, das bei jedem Gerät der Welt anzeigt, dass es eingeschaltet ist, neckischerweise genau dann, wenn er ausgeschaltet war. Das hieß also, kurz vor dem Einschlafen jedes Mal überlegen: 1. Ist das Gerät aus, damit es auch funktioniert? 2. Leuchtet der rote Knopf? Damit ich auch sehe, dass das Gerät funktionstüchtig ist? Also an … – nee aus … – oder doch an? Aus, ein, aus – das Spiel ist aus!!! Ich habe den Stecker gezogen und das Ding an das Versandhaus zurückgeschickt. Und morgen gehe ich zum Flohmarkt und kaufe den laut tickenden, mechanischen Wecker meiner Oma zurück. OLIVER THOMAS DOMZALSKI