Überall Putten

Signale aus Singapur: Kurz vor Weihnachten zeigt sich die Stadt als ein freundliches Gemisch aller Weltreligionen

Hinter der Kasse des Mustafa Center, in einem riesigen Supermarkt für Lebensmittel, Elektronik und Schnickschnack aller Art in Little India steht eine Verkäuferin in einem prächtigen Sari. Sie trägt einen roten Punkt auf der Stirn. „Nein, ich bin keine Inderin“, wendet sie allerdings ein, als wir sie nach ihrer Herkunft befragen. „Ich bin in Singapur geboren.“

Erst als wir nach unserem ausgedehnten Rundgang durch die weitläufige Computerabteilung zu ihr zurückkommen und einen billigen Computersprachkurs Hindi bei ihr bezahlen, zaubert sie ein Lächeln in ihr Gesicht. Sie erzählt uns, dass ihre Familie bereits in der dritten Generation in Singapur lebt, dass ihre Urgroßeltern aus Indien kamen und dass sie deshalb nicht nur Englisch, sondern auch Tamilisch beherrscht – eine andere der 17 regionalen Sprachen Indiens, die hier von der Mehrheit der indischstämmigen Bevölkerung gesprochen wird.

Nachdem wir in einem anderen Supermarkt einen Schwung CDs mit indischen Filmen für fünf Euro das Stück erstanden haben – Filme aus Bollywood versteht man ganz sicher auch ohne Untertitel –, fahren wir per Auto weiter nach Chinatown, den zweiten der beiden Stadtteile, die nicht ganz so geleckt sind wie der Rest der Stadt. Wie alle Taxifahrer, denen wir bislang begegnet sind, ist auch dieser sehr gesprächig. Wir fragen ihn nach der opulenten Weihnachtsdeko, die derzeit Singapur verglitzert: Haribo-bunte Girlanden in den Palmen, meterhohe Weihnachtsbäume aus goldenen Christbaumkugeln an jeder Straßenecke, riesige rosige Putten aus Pappmaschee, die überall von den Laternen baumeln. Ihm gefalle das sehr, sagt der Taxifahrer. „Es kostet zwar viel Strom, kurbelt aber auch das Geschäft an. Die Leute gehen mehr einkaufen und fahren mehr Taxi“, strahlt er. „Genauso wie im Ramadan-Monat“, fügt er dann aber schnell noch hinzu.

Ob er denn auch Weihnachten feiert, wollen wir wissen. „Selbstverständlich“, sagt er. „Ich bin Buddhist und esse fast jeden Tag Fish and Chips. Trotzdem mag ich Weihnachten und kaufe jedes Jahr einen ganzen Truthahn für die Familie.“ Wir erzählen ihm, dass man in Deutschland Weihnachten eher mit einer gebratenen Gans feiert. „Oh“, sagt er, „Gans ist natürlich noch besser. Aber um eine Gans zu essen, würde ich an Ihrer Stelle lieber nach China fahren, am besten nach Kanton. Dort, heißt es, gibt es die beste Gans der Welt.“ Ob er denn schon einmal in China gewesen sei, fragen wir ihn. „Nein“, antwortet er, „China interessiert mich nicht. Wenn ich verreise, dann möchte ich mir lieber westliche Länder ansehen. Ich war schon in Australien und Amerika, und bald will ich auch Europa kennen lernen.“ Aber er sei doch Chinese? „Nein, ich bin in Singapur geboren“, erwidert er. „Meine Eltern kamen nach dem Krieg aus der chinesischen Provinz Fujian.“ Er spreche also Mandarin? „Nein, ich spreche nur Englisch und ein bisschen Malaiisch“, antwortet er und drückt damit seinen Respekt für die in Singapur lebenden muslimischen Malaysier aus. Wir wollen wissen, wie er sich mit seinen Eltern unterhalten hat. „Auf Hokkien“, erklärt er uns. Das ist der chinesische Dialekt, den man in Fujian spricht und der sich in Singapur mit vielen weiteren Dialekten vermischt hat.

Inzwischen ist das Taxometer schon bei 15 Singapur-Dollar angelangt, umgerechnet immerhin sieben Euro. Wir beschweren uns ein bisschen, wie teuer Singapur im Vergleich zu anderen asiatischen Metropolen werden kann. Darüber lacht er nur herzlich. „Das ist eben der Preis für Entwicklung“, sagt er.

SUSANNE MESSMER