Sparkassen in der Bredouille

Stralsund beschließt Verkauf des Geldhauses. Kritiker: Rechtlich-öffentliche Banken wichtig

AUS HAMBURG H. PFEIFFER

Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund hat mehrheitlich beschlossen, ihre Sparkasse zu verkaufen. Als Käufer würden die Fraktionen von CDU und SPD eine private Bank begrüßen, Commerzbank und die schwedische SEB haben bereits Interesse bekundet.

Die erste Privatisierung einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse stößt allerdings in der rot-roten Regierungskoalition Mecklenburg-Vorpommerns und beim Deutschen Sparkassenverband auf heftige Kritik. Denn: Das geltende Sparkassengesetz stehe einer Privatisierung im Wege. Auch sei eine regionale Sparkasse unersetzlich für Stadt und Land. Daran glaubt der Wirtschaftsjurist und Bankenexperte Wernhard Möschel nicht: „Eine Sparkasse braucht heute niemand mehr.“

Eine Reise durch Deutschlands Regionen könnte ihn freilich eines Besseren belehren: Überall haben sich die privaten Banken aus der Provinz verabschiedet, geblieben sind bestenfalls billige SB-Center mit einem Geldautomaten. Beratung, Service und Kredit bieten in der Fläche nur noch die 1.400 genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken sowie die 500 Sparkassen.

Über 350.000 Menschen arbeiten für öffentliche Finanzdienstleister. Damit könnte nach einer Privatisierung Schluss sein, befürchtet die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Ebenso wie Sparkassenpräsident Dietrich Hoppenstedt hält Jörg Reinbrecht von Ver.di die Öffentlich-Rechtlichen für volkswirtschaftlich unerlässlich. „Der Sparkassenfinanzverbund ist der wichtigste Anbieter von Finanzdienstleistungen für Privatkunden, die öffentliche Hand sowie Klein- und Mittelbetriebe.“ Über 80 Prozent aller neu vergebenen Kredite an den Mittelstand würden von Sparkassen vergeben.

Begünstigt durch ihre Erträge im klassischen Kreditgeschäft gehören die Sparkassen zu den wenigen gewinnträchtigen Wirtschaftszweigen – und üppigen Steuerzahlern. Laut Verband zahlten Sparkassen 2002 mehr als 2 Milliarden Euro an Ertragssteuern, davon ein Großteil an Gewerbesteuer an kleine Gemeinden und Städte. Ähnlich soll es in diesem Jahr aussehen. Sparkassenpräsident Hoppenstedt gönnt sich darum einen Seitenhieb auf die ungeliebte Konkurrenz: „Nach unseren Erhebungen werden die privaten Banken 2003 keine Steuern zahlen.“ Kommunen beanspruchen Sparkassen freilich nicht allein als braven Steuerzahler, sondern auch indirekt als Förderer der regionalen Wirtschaft sowie als zahlungsfreudigen Sponsor für Kultur, Soziales und Sport.

Wenn es nach dem Willen der großen Mehrheit im Deutschen Sparkassen- und Giroverband geht, regiert auch in Stralsund künftig nicht allein der Profit. In den internen „Strategischen Leitlinien“ wird an der „Gemeinwohlorientierung“ der Sparkassen festgehalten, und diese beruhe nun einmal „im Wesentlichen auf der Trägerschaft durch die Kommunen“. An der öffentlichen Rechtsform wollen die Sparkassen daher auch nach 2005 festhalten, wenn die bisherigen staatlichen Garantien aufgrund des Drucks aus Brüssel wegfallen und der Weg für Privatisierungen und feindliche Übernahmen frei ist. Aus Sicht der Sparkassengruppe ist Stralsund daher eine Vorlage für die Großbanken: „Es geht ausschließlich darum, einen Musterfall für eine Sparkassenprivatisierung in Deutschland zu erreichen.“

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