Gedränge auf dem Ökomarkt

In Köln eröffnen immer mehr Ökosupermärkte. Der Verbraucher profitiert von den sinkenden Preisen für die oft teuren Lebensmittel. Den Inhabern kleiner Bioläden indes macht die Konkurrenz Sorgen

Von KIRSTEN PIEPER

Vollbeladen kommt Sonja Bahlke vom Einkaufen nach Hause – in der einen Tüte das Öko-Kraftkornbrot von Aldi, in der anderen die Eier von glücklichen Hühnern der Biokette Alnatura. „Das Gemüse kaufe ich aber beim Biolädchen an der Ecke, wegen der Frische“, sagt die angehende Lehrerin aus Köln-Nippes.

Spätestens seit den Lebensmittelskandalen der vergangenen Jahre stehen ökologische Produkte hoch im Kurs. Immer mehr Ökosupermärkte öffnen ihre Pforten. Aber auch konventionelle Discounter wie Aldi oder Plus setzen auf Milch von Kühen, die auf der Weide grasen. Der Verbraucher profitiert von sinkenden Preisen für Ökoprodukte, den kleinen Bioläden im Veedel indes bereitet diese Entwicklung eher Sorgen.

Das Angebot für den ökologisch bewussten Käufer hat in Köln deutlich zugenommen. Neben zahlreichen traditionellen Bioläden, die sich im Zuge der Ökologiebewegung Anfang der achtziger Jahre in der Domstadt etabliert haben, bringt es Köln mittlerweile auf sechs Biosupermärkte. Den Boom brachte die Rinderseuche BSE und die Maul- und Klauenseuche.

Lutz Größel ist Eigentümer des Kölner Ökomarktes Naturata in Sülz. Er bescheinigt der Biobranche ein enormes Wachstumspotenzial: „Alleine in Köln ist noch Platz für vier bis fünf weitere Biomärkte.“ Größel eröffnete Ende November einen weiteren Biosupermarkt in der Kölner Innenstadt. Anders als der überwiegende Teil der Branche sieht er sich primär als Geschäftsmann. „Wir müssen wirtschaftlich denken“, so Größel. Leider sei die Bioszene in aller Regel „kaufmännisch dumm“.

Rabatte binden Kunden

„Tendenziell wächst der Markt für Bioprodukte, und auch die Zahl der Arbeitsplätze in Naturkostläden steigt“, stellt NRW-Umwelt- und Verbraucherministerin Bärbel Höhn (Grüne) fest. Wie Lutz Größel ist sie überzeugt, dass „auch der kleine Bioladen sich umstellen“ müsse. „Auch hier gilt der Grundsatz des offenen Marktes.“

Jovita Fernandez hat das längst beherzigt. Mit ihrem Laden Hulk Bio Food in der Spichernstraße mache sie heute mehr Umsatz als im Vorjahr, sagt Fernandez. Den Erfolg brachte ein Rabattsystem, das die Kunden an ihr Geschäft bindet: Durch Zahlung einer monatlichen Gebühr können die Kunden bestimmte Biomarkenartikel bis zu 30 Prozent billiger einkaufen. Trotz der Konkurrenz des Basic-Biomarkts nur 50 Meter weiter glaubt sie im Belgischen Viertel „sehr gut platziert“ zu sein.

Helmut Lange ist da nicht so optimistisch. Er steht alleine hinter der Theke seines kleinen Bioladens in Nippes. Alle nennen ihn nur Helmut – in der Bio-Szene duzt man sich. „Der Spaßfaktor geht gegen Null“, sagt Lange. „Seit 30 Jahren lebe und vertrete ich Ökologie, aber wenn der Umsatz nicht mehr stimmt...“ Lange zuckt mit den Schultern. Seit die Kette Alnatura in der Nachbarschaft eine Filiale eröffnet hat, verzeichnet er Umsatzeinbußen von bis zu 60 Prozent. 1982 hat er in Köln als erster einen Bioladen aufgemacht, damals mit sechs Mitarbeitern. Heute reiche das Geld nur noch für eine Aushilfskraft.

Wie Lange geht es auch anderen Ladenbesitzern in Köln. „Viele von uns machen sich Sorgen“, sagt Erdal Yasar, Besitzer des Bioladens Wakame Naturkost in der Südstadt. Bei Kunden, die früher ausschließlich bei ihm gekauft hätten, guckten nun Verpackungen von Plus und Aldi aus der Tüte. Davor könne er die Augen einfach nicht verschließen. Der 54-jährige Türke sieht die Konkurrenz in den herkömmlichen Supermarktketten. Die hätten den Markt für sich entdeckt und schwämmen heute auf der Ökowelle mit.

Neu im Sortiment bei Aldi

Bärbel Höhn indes will die Agrarwende: „Unser Grundsatz ist: Wir wollen Ökoprodukte nicht nur in kleinen Läden, sondern auch in Supermärkten“, meint die grüne NRW-Umweltministerin. Ein wichtiger Schritt ist getan: Das Bewusstsein der Verbraucher hat sich geändert. Wer heute Müsli und Grünkern auf seinem Einkaufszettel hat, gehört nicht mehr zu einer „Körner fressenden“ Minderheit.

Sonja Bahlke packt ihre Einkaufstüten aus. Dabei fällt ihr die Bratlingsmischung aus Dinkelmehl in die Hände. „Die ist neu im Sortiment bei Aldi, da konnte ich einfach nicht widerstehen.“ Sie findet es toll, dass es jetzt fast überall Bioprodukte zu kaufen gibt. Der springende Punkt indes ist für Bahlke natürlich der Preis. „Heutzutage sollte sich jeder Mensch Bio leisten können.“