Für 80 Euro bei der SPD

PRAKTIKANTEN Die SPD setzt sich öffentlich gerne für die Rechte von Praktikanten ein. Für die bevorstehenden Wahlkämpfe sucht sie nun selbst welche – und zahlt kaum etwas

„Die Ausbeutung von Praktikanten kann nicht hingenommen werden“

SPD-POLITIKER BJÖRN BÖHNING

VON TIMO HOFFMANN

Die SPD präsentiert sich in der Öffentlichkeit gerne als Anwältin der Praktikanten und Kämpferin für deren Rechte. Doch in den bevorstehenden Europa- und Bundestagswahlkämpfen wollen ihre Jugendorganisation Jusos und SPD-Linken-Sprecher Björn Böhning selbst Studenten als Praktikanten zum Stimmenfang einsetzen – und für diese „Vollzeit“-Arbeit lediglich 80 Euro pro Woche zahlen.

Das geht aus Ausschreibungen auf einer Internet-Praktikumsbörse und der Internetseite Böhnings hervor. Die Berliner Jusos buhlen in ihrer Annonce um Studenten für Online- und Straßenwahlkampf vor der Europawahl. Die Jugendorganisation wolle einen „Beitrag für linke Mehrheiten im Europaparlament“ leisten, um „die konservative Mehrheit zu brechen“. Zahlen will sie für die sechswöchige Arbeit aber nur 480 Euro.

Auch Björn Böhning, Ex-Juso-Chef, derzeit in der Berliner Senatskanzlei beschäftigt und Bewerber für ein Bundestagsmandat in Berlin, sucht „zur Unterstützung seines Wahlkampfteams“ für drei Monate einen Praktikanten oder eine Praktikantin mit „politischen Grundkenntnissen“, „Kommunikationsgeschick“ und Führerschein. Lohn: 80 Euro pro Woche.

Andere Parteien schütteln über das Praktikumsangebot den Kopf. „Grundsätzlich wird man im Wahlkampf eher für einfache Tätigkeiten abgestellt und weniger zu solchen, bei denen man wirklich etwas lernt“, sagt Ramona Pop, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Berliner Grünen-Fraktion. „Wenn die SPD also Praktikanten dazu einsetzt, Stände aufzubauen und Luftballons aufzupusten, ist das nicht im Sinne eines Praktikums.“ Auch der Koalitionspartner der Berliner SPD ist nicht begeistert. „Das ist keine besonders gute Praktikumsbezahlung“, kritisiert Klaus Lederer, Berliner Landeschef der Partei Die Linke. „Ich bin ein Mindestlohnfan.“

In dieselbe Kerbe haut die CDU: Die Vergütung der Wahlkampf-Praktika zeige, wie ernsthaft Forderungen der SPD nach einem Mindestlohn seien, spottet der Berliner CDU-Sozialsprecher Gregor Hoffmann. Die SPD konterkariere mit ihrem Verhalten zudem ihre eigenen Europawahl-Plakate, sagt Hoffmann. Der Slogan: „Dumpinglöhne würden CDU wählen.“

Die Berliner SPD sieht sich zu Unrecht in der Kritik. Sie könne ihre eigene Praktikumspolitik „wunderbar vertreten“, sagte ein Sprecher. Nie würden Praktikanten länger als drei Monate beschäftigt. Jeder werde gut betreut. Praktikanten seien stets Studenten und keine Absolventen. Jeder erhalte einen Vertrag und ein Zeugnis. Die Bezahlung richte sich nach den Vorgaben der DGB-Jugend, wonach der Lohn „300 Euro pro Monat nicht unterschreiten sollte“. Dass die SPD-Praktis auch mal Plakate kleben, sei möglich, räumt der Sprecher ein. Aber „dafür haben wir nicht ausgeschrieben“.

Björn Böhning dagegen ließ mitteilen: „Die Praktika – es handelt sich nicht um Beschäftigungsverhältnisse – werden nach den Richtlinien des Landes Berlin vergeben.“

Böhning hatte sich – wie die SPD – politisch immer wieder für eine Besserstellung von Praktikanten eingesetzt. „Die Ausbeutung von Praktikanten durch einige Unternehmen kann nicht hingenommen werden“, forderte er etwa im Jahr 2006.