Fußpflege unter der Grasnarbe
: Die Zeit des Kachelofens

Einen Spieltag gilt es noch zu überstehen, dann ist endlich Winterpause. Ein paar Hände voll Kicker unternehmen dann eine lange beschwerliche Reise zu Spielen, die keinen so richtig interessieren und die neue Märkte im Osten erschließen sollen. Der Rest verschwindet nach Hause, um sich am Kachelofen die Hände zu wärmen. Es kehrt ein die Zeit der Ruhe und der Besinnung, der Erinnerung und des Vergessens. Erinnern und vergessen wir doch einfach dieses Sportjahr.

Was war denn der Höhepunkt? Die Olympischen Spiele in, äh, wo waren die gleich noch mal? Ach ja, Athen. Nein. Auch wenn sie einem in den letzten Tagen wieder vermehrt in den Sinn gekommen sind, weil irgendein Gaul – oder waren es gleich mehrere? – angeblich mit einer falschen Salbe gesalbt wurde und deshalb noch im Dezember am Grünen Tisch Medaillen verteilt werden, die eigentlich längst schon an einem Nagel neben dem Kachelofen hängen sollten. Außerdem ist einem in Griechenland mal wieder so richtig klar geworden, wie langweilig Leichtathletik eigentlich geworden ist. Was unterscheidet einen 100-Meter-Lauf denn schon groß von einem anderen? Päng, rund zehn Sekunden Gerenne, dann keuchende Frauen oder Männer in zunehmend hässlichen und entstellenden Kleidungsstücken. Na also, da haben wir es doch: Wer genug Distinktionswillen aufbringt, kann sich wenigstens an den Klamotten orientieren. Ansonsten ähneln sich diese EPOchalen Anabolika-Bomber doch irgendwie genauso wie ihr Gerase nutzlos ist. Glaubhaft wird von denen keiner und keine mehr.

Was hatten wir noch? Wie wäre es mit Radsport? Der ewige Lance Armstrong gewinnt schon wieder die Tour de France. Unangefochten. Ohne echte Konkurrenz. Zum sechsten Mal. In Folge. Da ist nicht mehr viel Platz in der Vitrine neben dem Kachelofen. Und unser Jan, der ja, wie Hamburger Repräsentanten immer wieder betonen, eigentlich auch ein Stück weit ein Hamburger ist, weil er vor Jahren einmal kurz hier gewohnt hat, wurde dieses Mal nicht einmal Zweiter. Kein Grund also für die Hansestadt, stolz auf ihn zu sein. Und bei den HEW-Cyclassics wurde Ullrich sogar nur 30. Um Lance Armstrong ranken sich übrigens Gerüchte. Da soll Doping im Spiel sein.

Rennsport also? Schumi. Der kann mit seinen Weltmeisterschaftsurkunden langsam sein Kachelofenzimmer tapezieren. Sieben Stück kleben da schon. Und wenn er nicht auch einmal einen Schnitzer gemacht hätte, hätte er alle Rennen gewonnen in dieser Saison. Sonst ist nichts gewesen, außer Genörgel von den anderen Fahrern, die behaupten, wenn sie den gleichen Wagen hätten und genauso gut Auto fahren könnten, dann wären sie mindestens so gut wie der so genannte Kerpener, wenn nicht sogar ein bisschen besser.

Fußball also. Immer das gleiche. Deutscher Meister wurde wie jedes Jahr Bayern Mün... Gar nicht wahr! Werder Bremen hat Schale und Pokal geholt! Zwar auch schon zum vierten beziehungsweise fünften Mal, aber immerhin. Schön gespielt haben sie darüber hinaus auch noch. Und einen Kachelofen besitzen sie in Bremen auch nicht, der eitle Tand steht irgendwo in den Tiefen des Weserstadions. Aber die Euphorie hat nicht lang gehalten. Die Tabelle der Rückrunde spricht Bände. Alles ist wieder Langeweile, alles ist wieder beim Alten. Auf Platz eins steht wer? Und jetzt wirklich und jetzt alle: Bayern München!

Ich bekenne: Ich habe keine Lust mehr auf Sport. Ich bleibe zu Hause sitzen, drehe die Zentralheizung an und betrete kein Stadion mehr. Dieses Jahr.

Fotohinweis: Eberhard Spohd ist Mitglied der Flat Earth Society und glaubt an das Gute im Menschen sowie die Wundertätigkeit einer schönen Tasse Tee am Morgen