Schluss mit Luxus

Verleger und Chefredakteure klagen: Zu teuer sei die dpa, der „Rolls-Royce unter den Nachrichtenagenturen“. Nun muss auch hier gespart werden

von OLIVER HINZ

„Hinterhalte und Stellungen von Außerirdischen bombardiert“, so der Wortlaut einer sensationellen Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) vor rund einem Monat. Es dauerte eine halbe Stunde, bis sich die Agentur berichtigte: Die US-Streitkräfte zielten auf Aufständische, nicht auf Marsmännchen. Was sich drollig liest, ist nur ein Symptom für die Zeitungskrise, die längst auch ihre wichtigsten Zulieferer erwischt hat. Die bei weitem größte und teuerste der fünf konkurrierenden Anbieter, die Deutsche Presse-Agentur (dpa), hat bereits die „Redakteure vom Dienst“ abgeschafft. Sie korrigierten alle Meldungen ihrer Kollegen, bevor sie druckfertig in die Redaktionscomputer der Abonnenten (Zeitungen, Radio, Fernsehen) eingespeist wurden.

Heute geht es sogar an die Substanz der dpa. Der Aufsichtsrat will in Hamburg ein „neues Preismodell“ beschließen und anschließend den Gesellschaftern vorstellen, sagt Hermann Elstermann, Vizeaufsichtsratschef der Agentur und Verleger der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Was genau das Kontrollgremium, in dem neben Kleinverlegern unter anderem Springer-Boss Mathias Döpfner und die Chefredakteure von ZDF und RTL sitzen, ausheckt, steht noch nicht fest. Als ausgemacht gilt, dass die Kunden für den dpa-Ticker bald weniger berappen müssen. Auch Betriebsratschef Reino Gevers erklärt, „die Geschäftsleitung will die Preise kräftig senken“, und warnt: „Die Agentur würde ausbluten“, wenn sie ihr Angebot, wie die Münchener ddp, in Einzelteile „aufbröselt“. Bisher verkauft der Marktführer seinen großen Basisdienst mit täglich 750 Meldungen von Sport über Kultur bis Politik nur komplett. Vielleicht gibt es von ihm bald abgespeckte Varianten, wie die von der Werbungsflaute gebeutelten Verlage fordern.

„Wir zahlen einen Rolls-Royce und brauchen eigentlich nur eine Rückbank“, klagt Andreas Knaut, Pressesprecher des Handelsblatts, das dpa ab 2005 bereits gekündigt hat. Auf die Agentur sei das Wirtschaftsblatt nicht angewiesen, seien sich alle im Haus nach einer Woche Verzicht auf Probe einig.

Das Dilemma: Entweder verlangt dpa weniger Geld und dreht sich selbst den Geldhahn zu – oder sie verliert weitere Abonnenten, weil sie zu teuer bleibt. Neue Kunden kann dpa mit billigeren Angeboten kaum noch ködern, weil sie schon fast alle Medien beliefert. Vielmehr geht es der Agentur darum, Kündigungen abzuwenden. Sat.1, ProSieben, Kabel 1 und N 24, die für ihr Abo jedes Jahr insgesamt 2,5 Millionen Euro zahlten, verzichten ab Januar ohnehin schon auf dpa und verlassen sich auf die Konkurrenten AFP, AP, Reuters und ddp. Nur bei RTL klingt das ganz anders: „Dpa ist eine ausgezeichnete Agentur, ohne die kein Sender antreten kann“, meint der stellvertretende Chefredakteur Achim Tirocke.

Das Paradoxon: Die Agentur gehört mit je Anteilen von höchstens 1,5 Prozent fast 200 Verlagen und Sendern, die als Gesellschafter selbst bestimmen, wie viel sie als Kunden zahlen. Doch ein Unternehmen mit vielen Chefs ist wie eins ohne Chefs. Und so kündigen immer mehr dpa-Eigentümer wegen der hohen Kosten ihr Abo. Neben der ProSiebenSat.1 gehören dazu auch die Ludwigshafener Rheinpfalz und die Rheinische Post in Düsseldorf. Die Existenz einiger kleiner Zeitungen hängt indes davon ab, ob sich die großen Verlage weiterhin zum alten Solidarmodell bekennen. Kleinen Blätter gewährt dpa bisher einen Preisrabatt, was manchem Medienkonzern gar nicht behagt.