ausstellung
: Bagdad – eine übersehene Realität

Bagdad – das kennen wir ja: Das ist da, wo die Bomben fielen und jetzt welche hochgehen, die Stadt der Besatzer, der Selbstmordattentäter und der leidenden Menschen. Aber: Gibt es noch ein anderes Bagdad? Einen Ort der Künste und der Künstler, trotz aller Zerstörung und Unsicherheit? Zwei Frauen haben sich auf den Weg gemacht in eine unbekannte Stadt. Die in Köln lebende Ruba Salim, Mitglied einer bekannten irakischen Künstlerfamilie, und Rosi Ulrich, Leiterin des Kölner „theater-51grad.com“, reisten im April diesen Jahres in die irakische Hauptstadt, um halb vergessene Kontakte wiederherzustellen, Verwandte und Freunde zu besuchen, irakische Künstler kennen zu lernen und den Alltag der Besatzung zu erleben. Die Ergebnisse dieser „Reise in eine andere Welt zur falschen Zeit“ sind das Thema einer Video-Text-Installation in der Galerie Rachel Haferkamp.

Drei Fernseher und eine Großbildprojektion zeigen ein unspektakuläres, dafür bewohntes und inspiriertes Bagdad: keine Täter und Opfer, keine Schüsse und Tränen, stattdessen Straßenszenen, ein Besuch bei der Tante, eine Ausstellung, ein Künstlertreff, Szenen aus der Galerie, dem Kunstverein, der Akademie. Eine Hör-CD gibt Hintergrundinfos und schildert Reiseeindrücke, erzählt von Abenden im Garten des Freundes Qazim, von Diskussionen über die Plünderung des Bagdader Museum of Modern Art, das die irakischen Intellektuellen am liebsten ohne Einmischung der Besatzer wieder bestücken würden – auch mit Werken aus der Saddam-Zeit, denn auch sie gehört zur Jahrtausende alten Geschichte des Zweistromlandes.

Kunst und Künstler in Bagdad: Die Installation zeigt keine geschönte Parallelwelt, spart die bedrohlichen Lebensbedingungen nicht aus, und doch reibt sich der Betrachter die Augen: Dieser kreative Irak, mit dem der Westen lange Zeit in regem künstlerischen Kontakt stand, passt so gar nicht zu dem Krisengebiet in unseren Köpfen. Dieser Irak ist eine zweite, eine übersehene Realität jenseits massenmedial vermittelter Bombenszenarien.

Holger Möhlmann

„Baghdad 04.04“: Galerie Rachel Haferkamp, Köln, Eigelstein 112, bis zum 9.12.; „eins + aus tausendundeiner nacht“: eine Lesung mit irakischer Musik und orientalischen Gaumenfreuden, am 9.12. um 20.00 Uhr