Jäger und Gejagte

AUTOBRANCHE Die Krise beschleunigt die Konzentrationsprozesse in der Branche

Die großen Autohersteller der Welt mit Unternehmenssitz, Jahresumsatz 2008, Mitarbeitern und ausgewählten Marken/Beteiligungen

■ Toyota: Toyota, Japan; 198,5 Mrd. Euro; 316.000; Subaru, Daihatsu, Lexus

■ General Motors: Detroit, USA; 112,7 Mrd. Euro; 243.000; Chevrolet, Cadillac, Opel, Saab, Daewoo

■ Volkswagen: Wolfsburg, Deutschland; 113,8 Mrd. Euro 370.000; Audi, Skoda, Seat, Bentley, Lamborghini, Bugatti

■ Ford: Dearborn, USA; 110,5 Mrd. Euro; 246.000; Lincoln, Rover, Volvo

■ Renault-Nissan: Boulogne-Billancourt, Frankreich und Tokio, Japan; 104,8 Mrd. Euro; 316.000; Renault, Nissan, Samsung, Dacia

■ Daimler: Stuttgart, Deutschland; 95,9 Mrd. Euro; 273.000; Mercedes, Smart, Maybach

■ Honda: Tokio, Japan; 90,4 Mrd. Euro; 179.000; Honda

■ Hyundai: Seoul, Südkorea; 69,1 Mrd. Euro; 115.000; Kia, Hyundai, Proto

■ Fiat: Turin, Italien, 59,4 Mrd. Euro, 200.000; Fiat, Alfa Romeo, Ferrari, Lancia, Maserati

■ PSA: Paris und Sochaux-Montbéliard, Frankreich; 54,7 Mrd. Euro; 207.000; Peugeot, Citroën

■ BMW: München, Deutschland; 53,2 Mrd Euro; 100.000; BMW, Mini, Rolls-Royce u. a.

■ Suzuki: Hamamatsu, Japan; 21,5 Mrd. Euro; 50.000; Suzuki

■ Chrysler: Auburn Hills, USA; 64 Mrd. Euro (2007); 58.000; Jeep, Dodge, Plymouth

VON STEPHAN KOSCH
UND BEATE WILMS

Er hat es tatsächlich gesagt. Fiat-Chef Sergio Marchionne hat einen Einstieg von Fiat bei Opel als „Hochzeit im Himmel“ bezeichnet. Wusste er, was er tat? Hat ihm niemand gesagt, dass Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp mit exakt diesem süßlichen Bild die Fusion mit Chrysler beschrieben hatte? Und dass nach dem gigantischen Scheitern der Welt AG aus Stuttgart diese Formulierung hämisch ausgeschlachtet wurde?

Vielleicht aber wollte Marchionne diese Anknüpfung an das Megaprojekt Daimler-Chrysler-Mitsubishi. Denn zum einen ist Fiat nun für Chrysler der Hoffnungsträger, der Daimler niemals war. Zum anderen geht es Marchionne um die Schaffung eines neuen Weltkonzerns. Und das hat nichts mit romantischen Autohochzeiten oder einer tollen Wachstumsstory für die Börsen zu tun. Ihm geht es um reine Zweckehen, wenn nicht gar Notgemeinschaften. Es geht um das nackte Überleben.

Denn dass die globalisierte Autowelt längst zu klein ist für die noch immer existierenden 13 großen Hersteller und eine sogenannte Marktbereinigung mit entsprechenden Übernahmen und Pleiten bevorsteht, ist für Experten schon lange eine ausgemachte Sache. Die Krise beschleunigt nur diesen Prozess. Sechs bis sieben Unternehmen werden am Ende überbleiben, sagen die Experten.

Ginge es allein nach der Größe, wäre die Entscheidung schon gefallen. Hier haben sich die ersten fünf bereits einen ordentlichen Vorsprung erarbeitet. Ganz vorne drängen sich Toyota und General Motors, die jährlich jeweils rund 9,3 Millionen Fahrzeuge produzieren. Dann folgen Volkswagen und Ford mit je 6,3 Millionen sowie Renault-Nissan mit gut 6,1 Millionen Autos. Dabei hat VW die größten Ambitionen. Gerade erst hat Konzernchef Martin Winterkorn das Ziel ausgegeben, den Absatz bis 2018 auf 11,2 Millionen Fahrzeuge zu steigern und damit Branchenerster zu werden.

Bedrängt werden die Spitzenhersteller von Honda, Hyundai und PSA-Peugeot-Citroën, die jährlich zwischen 3,5 und 4 Millionen Autos bauen. Schon mit dem Einstieg bei Chrysler und damit mehr als 5,2 Millionen Fahrzeugen könnte Fiat diese Gruppe überholen. Käme noch Opel hinzu, würde der neu fusionierte Konzern mit 6,5 Millionen sogar auf einen höheren Output kommen als Ford oder VW.

Doch gerade in Deutschland wird daran gezweifelt, ob Fiat diese Fusion mit einer Verschuldung von aktuell 6,6 Milliarden Euro überhaupt finanziell stemmen kann. Dabei stehen den Schulden nach Analystenschätzungen immerhin gut 5 Milliarden Euro liquider Mittel entgegen, mit denen Opel gekauft werden könnte.

Nicht gelöst sind dagegen Mentalitätsfragen. Die aber können, wie das Beispiel Daimler-Chrysler-Mitsubishi zeigt, entscheidend sein. Der Weltkonzern war auch daran gescheitert, dass die Integration der unterschiedlichen Kulturen nicht klappte. Und gerade den Opel-Mitarbeitern stecken noch die uneffizienten Jahre der mit Fiat gemeinschaftlich betriebenen Firma Powertrain in den Knochen, die Motoren und Antriebe für die GM-Gruppe und Fiat entwickelte. Nach Ansicht der Opel-Mitarbeiter haben vor allem die Turiner von dem Joint Venture profitiert, indem sie Fahrzeugarchitekturen von Opel Corsa, Opel Vectra und Saab für ihr Programm nutzten. Eine neuer Zusammenschluss bedürfte einer Charmeoffensive.

Doch selbst wenn Fiat, Opel, Chrysler und möglicherweise auch noch PSA zusammengehen, droht den etablierten Unternehmen die neue Konkurrenz aus China und Indien. Bislang ist die Autobranche dort sehr aufgesplittet. Aber die chinesische Regierung hat bereits das Ziel ausgegeben, die größeren Hersteller zusammenzufassen. Man erwartet, dass sie bis 2011 zwei oder drei Topkonzerne formt, die jeweils mehr als 2 Millionen Autos produzieren.

„Wer überlebt, wird in Asien entschieden“, sagt Willi Diez, der das Institut für Automobilwirtschaft an der Uni Nürtingen-Geislingen leitet. Er schätzt deshalb, dass VW die besten Chancen hat, weil das Unternehmen in China „bärenstark“ sei. Daneben setzt er auf Daimler, BMW, Toyota und Ford, während von den beiden französischen Herstellern nur einer übrig bleiben könne. Grundsätzlich hält Diez dabei Kooperationen, wie sie Daimler und BMW planen, für erfolgversprechender als große Zusammenschlüsse – auch wenn die Fusion von Fiat und Opel „eine mögliche Konstellation“ sei. „Aber da wird Opel Federn lassen müssen.“