Euro gibt Ökonomen zu denken

Wieso steigt die Gemeinschaftswährung immer noch, obwohl die Nachrichten aus Euroland nicht die besten sind? Und stört der Höhenflug oder hilft er der wirtschaftlichen Entwicklung? Die klassischen Schullehren helfen nicht mehr weiter

Kursschwankungen erklären sich aus der Psychologie der Marktteilnehmer

AUS HAMBURGHERMANNUS PFEIFFER

Schon monatelang jagt der Euro von Rekord zu Rekord. Am Donnerstag erreichte er in der Spitze sogar 1,2437 US-Dollar – wiederum eine Bestleistung. Seit seinem Tief vor drei Jahren hat der Euro damit gegenüber der früheren weltweiten Leitwährung rund 50 Prozent an Wert hinzugewonnen. Dieser Höhenflug ist keineswegs ein Selbstgänger.

Denn eigentlich spricht die flaue Wirtschaftskonjunktur in Euroland sogar gegen die Währung. Auch die gescheiterten Verhandlungen um eine europäische Verfassung oder die gespaltene EU-Haltung gegenüber dem Irakkrieg sprechen nicht für Europas wichtigste Devise. Freilich erklären sich Währungsschwankungen auch immer zu einem Gutteil aus der Psychologie der Marktteilnehmer, aus der guten oder schlechten Stimmung der Spekulanten. Kritische Ökonomen wie Rudolf Hickel von der Universität Bremen weisen seit der Asienkrise 1997 unerschrocken auf den Erklärungsnotstand in ihrer Zunft hin. „Wir haben keine tragfähige Theorie mehr“, beklagt Hickel. Der moderne Spekulationskapitalismus habe die klassischen Schullehren der Wissenschaft gesprengt.

Es gibt allerdings auch harte Fakten, die für den Euro sprechen, der seit Januar auch gegenüber dem Schweizer Franken, dem japanischen Yen und dem britischen Pfund deutlich gewonnen hat. So wird für 2004/2005 erwartet, dass die Konjunktur endlich wieder anspringt. Zudem vertrauen viele Investoren der Europäischen Zentralbank (EZB), die vor allem Wert auf stabile Preise legt und der – im Gegensatz zur amerikanischen Notenbank Fed – Konjunktur und Arbeitslosigkeit egal sind. Gerade in unruhigen Zeiten lieben internationale Finanzjongleure dieses Konzept der Preis-Fixierung. So erklärte China im Herbst, dass es zukünftig mehr Reserven in Euro anlegen will.

Ergänzt wird dieser Preis-Dogmatismus der EZB durch vergleichsweise hohe Zinssätze. Zur Zeit liegt der Leitzins im Euroland bei teuren 2,0 Prozent – und damit doppelt so hoch wie in den USA. Eine Geldanlage im Niedrigzinsland USA – Japan liegt übrigens noch niedriger – ist also heute nicht sonderlich profitabel. Zudem leiden die USA unter den Unsicherheiten des Kriegs gegen den Terror, werden durch eine hohe Inflationsrate bedroht und beklagen eine geradezu hoffnungslose Auslandsverschuldung. Für 2004 erwarten sie ein Staatsdefizit, das nie und nimmer mit dem europäischen Stabilitätspakt vereinbar wäre. Die Stärke des Euro ergibt sich also auch aus der Schwäche des Dollar.

Deshalb dürfte er noch länger stark bleiben. Für den Schweizer Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs (HWWA), ist das eine eher gute Nachricht: „Euroland kann mit einem starken Euro leben.“ Dabei sei der hohe Kurs durchaus janusköpfig, Exporte würden teurer, Importe wie Öl, Rohstoffe und industrielle Halbfertigprodukte billiger. Da in Deutschland aber vor allem Waren veredelt werden, könne man vom starken Euro profitieren, glaubt Straubhaar.

Diese Einschätzung ist allerdings umstritten. Zwar habe die Bundesrepublik trotz der harten D-Mark seit den Achtzigerjahren immer zur Weltspitze im Exportgeschäft gehört, erklären Euro-Kritiker wie der Frankfurter Professor Wilhelm Hankel. Aber deren Höhenflug habe die Bundesbank mit einer drastischen Reduzierung der Zinsen kompensieren können. Genau diese Möglichkeit fehlt heute, da die EZB sich aufgrund der hohen Inflationsraten in Irland, Spanien und Griechenland nicht in der Lage sieht, die Zinsen zu senken. Niedrige Leitzinsen wären aber wichtiger für Wirtschaft und Arbeit als der Wechselkurs.