Bald könnte alles umsonst sein

Dem Hausprojekt in der Brunnenstraße 183 in Mitte droht die Zwangsversteigerung. Damit ist auch der Umsonstladen bedroht. Unbeeindruckt davon feiert er heute seinen dritten Geburtstag

VON GRIT FRÖHLICH

„Achtung! Sie verlassen den kapitalistischen Sektor“, steht in vier Sprachen an der Tür geschrieben. Die Tür geht auf und der Besucher steht im Umsonstladen. Die Waren in den Regalen – darunter Geschirr, Bücher, Kleidung – kann jeder mitnehmen, ohne an einer Kasse zu bezahlen. Gebracht werden sie von Menschen, die diese Sachen nicht mehr brauchen, aber möchten, dass sie jemand anderes noch benutzt: Deswegen ist alles hier umsonst.

Die Kosten für den Ladenbetrieb werden aus Spenden aufgebracht. Das läuft seit drei Jahren so in der Brunnenstraße 183. Im Sommer 2003 bekam der Umsonstladen einen Umweltpreis des Bezirksamtes Mitte verliehen. Heute feiert das Projekt seinen dritten Geburtstag.

Doch das rege Kommen und Gehen, Bringen und Nehmen im Laden könnte bald vorbei sein. Denn Haus und Grundstück sollen in den kommenden Monaten zwangsversteigert werden. Ein genauer Termin steht zwar noch nicht fest, frühester Zeitpunkt wäre in sechs Wochen. „Der Umsonstladen wäre von einer Zwangsversteigerung erheblich bedroht“, bestätigt Moritz Heusinger, Anwalt der Brunnenstraße 183.

Nach einer solchen Versteigerung gelten Sonderkündigungsrechte für die Gewerberäume, in denen das Projekt angesiedelt ist. Die Zwangsversteigerung ist die vorläufige Endstation einer „geplatzten Immobilienspekulation vom Feinsten“, wie Heusinger es nennt. Verspekuliert hatte sich die Tübinger „Team 2 Gesellschaft für Stadtentwicklung“, die neben der Brunnenstraße 183 noch mehrere Häuser gekauft hatte.

Die Gesellschaft war berüchtigt für ihre Methoden, durch Drohungen oder leere Versprechen systematisch Häuser zu entmieten, um die Immobilien anschließend so wertsteigernd wie möglich zu sanieren. Im Oktober 2001 hatte „Team 2“ versucht, in der Brunnenstraße 183 sämtliche Schlösser auszuwechseln, um die Mieter auszusperren (die taz berichtete). Ab Ende 2002 zahlte die Immobiliengesellschaft die Rechnungen für Schornsteinfeger, Wasser und Müllabfuhr nicht mehr. Die Mieter entschieden daraufhin, die Betriebskosten des Hauses selbst zu verwalten, und schlossen eigene Verträge mit den Berliner Wasserbetrieben.

Inzwischen ist „Team 2“ ganz von der Bildfläche verschwunden. Unter der Firmenadresse in Tübingen ist niemand mehr erreichbar. Alle Versuche von Gläubigern, offene Forderungen einzuklagen, laufen ins Leere. Eine Gläubigerin ist die Eurohypo AG. Die Bank hat vor über drei Jahren den Kauf der Brunnenstraße 183 mit einem hoch verzinsten Kredit finanziert und will nun mit der Zwangsversteigerung ihr Geld eintreiben.

Verschiedene Projekte haben leer stehende Räume instand gesetzt. Der Umsonstladen ist dabei nur das bekannteste. Im Haus lebt eine multikulturelle Wohngemeinschaft. Die Gruppe Media Decompression veranstaltet jeden Freitag Video-Perfomances. Viele Künstler wohnen und arbeiten hier. Nur wenige hundert Meter entfernt vom schicken Hackeschen Markt hat sich dieses Haus als eines der letzten seiner Art halten können. „Wir machen auf jeden Fall weiter“, sagt Chris vom Umsonstladen. „Die Leute finden den Laden toll.“ Eine lange Liste mit UnterstützerInnen haben sie auch schon gesammelt. Angedacht sei zudem, das Grundstück mit Hilfe des „Freiburger Mietshäuser Syndikats“ zu kaufen, um das Hausprojekt weiterzuführen. In der kurzen Zeit bis zur Zwangsversteigerung wird es allerdings eng, ein stimmiges Finanzierungskonzept zu entwerfen.

Trotz allem – oder gerade deshalb – feiert der Umsonstladen heute ab 14 Uhr seine Geburtstagsparty mit Büffet und einem Film über den „allmächtigen Warenfetisch“ – wie immer ist alles kostenlos.