Die Hamburger Weltbühne widmet einen Abend der Faulheit
: Schützenhilfe für Florida-Rolf

Sozialhilfe empfangen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen – durchaus ein nachdenkenswertes Modell

Es gebe kein Recht auf Faulheit, ließ uns der Bundeskanzler wissen. Seine Aussage blieb weitgehend unwidersprochen. Kein Wunder, schließlich regiert er über einen Staat, in dem Patriotismus den Wirtschaftsstandort meint und mithin immer Arbeit bedeutet. Dabei gäbe es doch Vieles in unserem Land, auf das solche Betonköpfe stolz sein könnten. Gotthold Ephraim Lessing zum Beispiel. Aber dazu später.

Was den alten Sozi und Juso Schröder angeht, sollte der eigentlich wissen, wie es ums Nichtstun bestellt ist. Hat er doch seine Parteiausbildung zu Zeiten erhalten, als die SPD noch kadergeschmiedet wurde, und da sollte er über Paul Lafargue und seinen Text „Recht auf Faulheit“ aus dem Jahr 1880 gestolpert sein. Darin ereifert sich der Schwiegersohn von Karl Marx aufs Heftigste gegen eine Sucht, und „diese Sucht ist die Liebe zur Arbeit“. Er endet mit dem schönen Satz: „Faulheit, Mutter der Künste und der edlen Tugenden, sei Du der Balsam für die Schmerzen der Menschheit!“

Aber all das will nicht so recht passen in Zeiten, in denen das Abdomenblatt „Bild“ so genannte Sozialschmarotzer wie Rolf John, besser bekannt als Florida-Rolf, und seinen Bruder im Geiste, Viagra-Kalle, öffentlich und ohne bespuckt zu werden an den Pranger der Pöbelseligkeit stellen darf. Nur weil sie sich gut im Bundessozialhilfegesetz auskennen und sich durchsetzen können, was heute die Grundvoraussetzung ist, wenn man gegenüber dem Staat Recht bekommen möchte.

Um dieser Tendenz etwas entgegenzustellen, veranstalten Hamburger Weltbühne und Rockcity Hamburg das Kammerkonzert „No work – Ein Loblied der Faulheit“, bei dem viele berühmte Leute auftreten. Da ist Frank Spilker von der Band Die Sterne, der Erich Mühsam vorträgt, da ist Knarf Rellöm alias Frank Möller, der sich Kurt Tucholsky – wie passend an diesem Ort! – und Douglas Coupland widmet. Der Liedermacher Bernd Bege- und der Politaktivist Thomas Ebermann werden da sein, die Hula Punks spielen auf und die DJs Carlos Calor & Lohuni Hoku Kuehu arbeiten am Plattenteller. Die ganze Weltbühne wird – Herrn John zum Gedenken – in floridianisches Ambiente versetzt, es gibt Cocktails und exotische Speisen.

Einzig Robert Stadlober hat abgesagt, vielleicht weil er heute Abend einfach einmal nichts machen will. Dabei sollte er doch den wohl schönsten Text lesen, „Bartleby“ von Herman Melville. Das ist die Geschichte des Schreibers, der jegliches Tun verweigert, indem er auf jede Bitte, jede Aufforderung, jeden Befehl milde antwortet: „I would prefer not to.“ Jetzt wird fieberhaft nach Ersatz gesucht für Stadlober, sagen die Organisatoren, wobei „fieberhaft“ an dieser Stelle ja wohl das falsche Wort ist.

So genug geschrieben, Zeit, sich wieder aufs Ohr zu legen. Mein letzter Satz gehört Gotthold Ephraim Lessing, der nicht nur die Toleranz predigte:

„Die Faulheit Fleiß und Arbeit lob‘ ich nicht / Fleiß und Arbeit lob‘ ein Bauer / Ja, der Bauer selber spricht / Fleiß und Arbeit wird ihm sauer. / Faul zu sein, sei meine Pflicht / Diese Pflicht ermüdet nicht.“ Eberhard Spohd

Kammerkonzert „No work – Lob der Faulheit“, Samstag, 20 Uhr (pünktlicher Beginn!), Weltbühne, Hamburg