Integrationsrat - quotenlos einseitig

Bremer MigrantInnen haben ihre sieben Vertreter für den Integrationsrat – es wurden sieben EinwanderInnen aus der Türkei. Viele andere MigrantInnen sind enttäuscht – und kritisieren das Wahlverfahren

Bremen taz ■ Der Kandidat hat einiges zu bieten. „Ich bin Dolmetscher, Übersetzer, Stadtplaner und Wissenschaftler und ich spreche 13 oder 14 Fremdsprachen, zum Beispiel Russisch, Turkmenisch, …“, ruft der Herr in die Halle. „Wow!“ und „dann kannst Du den Rat ja ganz alleine machen!“, ruft die Halle zurück und lacht. Es gab heitere Momente bei der Wahl zum Bremer Rat für Integration. Aber am Ende des Abends waren viele traurig und enttäuscht.

Der Rat soll künftig die Interessen der Bremer MigrantInnen vertreten und die Politik beraten. 25 Personen werden in dem Gremium sitzen, Vertreter von gesellschaftlichen Gruppen wie Kirchen und Wohlfahrtsverbänden – und sieben Bremer MigrantInnen. Diese sieben wurden nun am Donnerstagabend gewählt, in einer offenen Versammlung im Bürgerhaus in der Neuen Vahr. Kandidieren und wählen durften alle Menschen mit Zuwanderungs-Hintergrund – auch eingebürgerte Ausländer und Aussiedler. Rund 600 Menschen hatten sich auf den Weg in die Vahr gemacht, hörten sich an, was die 49 KandidatInnen in ihrer Kurzvorstellung zu sagen hatten und stimmten dann ab. Das Ergebnis: Alle sieben gewählten VertreterInnen stammen aus der Türkei, die türkischen EinwanderInnen waren in der überquellenden Halle einfach die größte Wählergruppe.

„Scheiße!“, „das ist undemokratisch!“, „das ist doch nur ein Rat für Türken!“ – die EinwanderInnen aus Afrika, aus Russland oder der Ukraine, aus Bosnien oder Italien waren entrüstet. Schimpfend stehen sie am Ende in einer tosenden Halle und fordern, es hätte eine Quote geben müssen für die verschiedenen migrantischen Gruppierungen, so dass auch andere KandidatInnen eine Chance gehabt hätten.

Doch sie kritisieren noch mehr: Dass über die Wahl schlecht informiert worden sei – „kein einziger meiner Schüler wusste von diesem Abend“, sagt ein Lehrer. Dass die KandidatInnen sich nur zwei Minuten lang vorstellen durften und man vorher nirgends etwas über sie erfahren konnte. Und dass die Wahl an einem Arbeitstag stattfindet, um 18.30 Uhr, in der Neuen Vahr. „An einem Samstag hätte es sein müssen und im Zentrum.“ Ein russischer Einwanderer sagt böse: „Erst habe ich in Russland gelebt, wo es keine Demokratie gab. Und jetzt werde ich hier behandelt wie ein Kind.“

Die Wahl vorbereitet hatte das Sozialressort, zusammen mit verschiedenen Ausländervereinen. Anfang des Jahres hatte das Ressort alle Vereine eingeladen, um über das Wie und Was des Rates zu debattieren. Etwa 80 bis 100 Personen kamen regelmäßig und entschieden: Wir wollen keine Quote, das führt zur Zersplitterung der ethnischen Gruppierungen. Entschieden hatte das Plenum außerdem: Noch in diesem Jahr soll gewählt werden, bis Anfang Dezember konnten sich KandidatInnen beim Sozialressort melden. Betroffene Vereine wurden angeschrieben.

„Ich habe erst ganz kurz vorher von dieser Wahl gehört“, sagt Jin Zhang aus Peking. Die schmale Frau ist alleine gekommen, sie sprach als letzte Kandidatin. „Ich wusste nicht, dass ich Anhänger mitbringen muss“, sagt sie zu Arnold Knigge, Staatsrat im Sozialressort. Er hatte die Arbeit des Plenums bis in den Wahlabend begleitet. „Es gibt keine Patentrezepte, wie man verhindern könnte, dass bestimmte Vereine massive Stimmenwerbung betreiben“, antwortet Knigge. Ja, man hätte auch überlegen können, die Daten über die KandidatInnen vorher öffentlich auszulegen, „das stimmt.“ Dass nun alles so schnell gegangen sei mit der Wahl, sei der Wunsch des Plenums gewesen – keine Vorgabe des Ressorts. Und die Entscheidung für die Vahr sei eine pragmatische gewesen. „Ein Haus in der Innenstadt zu mieten, geht ganz schön ins Geld.“

Er nähme die Kritik dieses Abends sehr ernst, sagt Knigge, an der Quote und den Verfahren. „Man muss nun überlegen, wie man Menschen mit anderem migrantischem Hintergrund als dem türkischen in den Rat einbinden kann, vielleicht mit beratender Funktion“, so Knigge. Am kommenden Donnerstag soll die Sozialdeputation den Integrationsrat absegnen – und dann arbeitet er bis 2007.Dorothea Siegle