Das Zwischendurchjahr ist vorbei

Der VfL Bochum überwintert nach dem 1:2 gegen den Hamburger SV auf einem Abstiegsplatz. Die Fans flüchten sich angesichts des drohenden Absturzes in Selbstironie. Spieler hoffen auf ein Leben nach der Winterpause

BOCHUM taz ■ Zuschauer haben oft ein gewisses Gespür für die aktuelle Situation ihres Vereins: „Wir steigen auf, wir steigen ab – und zwischendurch Uefa-Cup“ begannen sie Mitte der zweiten Halbzeit zu singen. Zu diesem Zeitpunkt lag der VfL Bochum gegen den Hamburger SV 0:2 zurück und versemmelte Torchance um Torchance. Der Gesang begann zunächst sehr leise und verhalten in der Mitte der Ostkurve, breitete sich nach außen aus und verdichtete sich zunehmend zu einem bedrohlich düsteren, mehrminütigen Mantra – unterbrochen nur vom Jubel nach Tommy Bechmanns Anschlusstreffer. Einmal auf den Geschmack gekommen, stimmten die Fans wieder ein. In der hektischen Schlussphase wechselten sich Gesänge, Anfeuerung und Pfiffe gegen den provozierenden HSV-Torhüter Martin Pieckenhagen. Ohne weiteren Erfolg.

Mit dem Schlusspfiff wurde schnell klar, dass sich die sportliche Realität alsbald der selbstironischen aus einer allgemeinen Hilfslosigkeit entstandenen Fankreation anpassen sollte. Die Angst vor der Wiederkehr des Immergleichen steckt den Anhängern dabei in den Knochen. Zwei Jahre nach der Uefa-Cup-Teilnahme im Jahr 1997 ging es für den VfL schon einmal ohne Vorwarnung nach unten.

Der Abschluss der Vorrunde passte zum Verlauf einer Saison, in der ganz Bochum die Vergänglichkeit des fußballerischen Glanzes brutal vor Augen geführt wurde. Das doppelt tragische Ausscheiden in Uefa-Cup und DFB-Pokal und der zielstrebige, unaufhaltsame Absturz in den Tabellenkeller sind die hässlichen Mosaikteilchen eines fast schon morbiden Puzzles. Gibt es ein Leben nach der Winterpause?

„Für uns ist die Winterpause das beste, was passieren konnte. Wir müssen schnell vergessen, was in den letzten Wochen passiert ist“, bringt Kapitän Dariusz Wosz die Ratlosigkeit des Teams auf den Punkt. Wie es weiter gehen soll, bleibt allerdings unklar. Die Winterpause könnte dazu dienen, der Mannschaft endlich ein Gesicht zu geben. Schwierig wird es allemal. Zumal mit dem Türken Fatih Akyel und dem Iraner Moharram Navidkia zwei weitere Spieler zum VfL stoßen werden. Während der gesamten Saison wirbelte Trainer Peter Neururer sein Team permanent durcheinander. Die Integration der etlichen Neuzugänge wurde darüber verpasst. Zum letzten Spiel der Hinrunde lief jetzt wieder die Mannschaft auf, der Peter Neururer zu Beginn der Saison das Vertrauen schenkte. Mit Kapitän Dariusz Wosz für den zuletzt starken Zvjezdan Misimovic, mit dem seit seiner Verletzung wankelmütigen Peter Madsen statt des stets bemühten Filip Trojan dazu: Marcel Maltritz oder Philipp Bönig – seit Wochen sind diese Spieler eher Belastung statt Hilfe. Ausnahme: Torhüter Rein van Duijnhoven, der sich sogar fit spritzen ließ.

Eben diese Mannschaft ließ ihren Trainer zumindest in der ersten Halbzeit erneut gnadenlos in Stich. Der Vertrauensbeweis war einseitig. Was bleibt dem Trainer jetzt noch? Und, bleibt er überhaupt Trainer? Vorstandsmitglied Dieter Meinhold lässt keine Zweifel an seiner Wertschätzung. Peter Neururer sei ein guter „Fußball-Lehrer.“ Fußball-Lehrer, eine Bezeichnung, die auch Alt-Präsident Ottokar Wüst benutzte. Wüst pflegte auch in schlechten Zeiten stets zu seinen „Fußball-Lehrern“ zu stehen. So, wie es jetzt Dieter Meinhold demonstrativ nachvollzieht. Und er ist zuversichtlich, dass Neururer in Zukunft wieder ein „erfolgreicher Fußball-Lehrer sein wird.“ Nur momentan hakt es ein wenig. „Natürlich wird es schwer, aber mit dem Abstieg werden wir nichts zu tun haben“, ist Neururer von der Qualität seines Teams überzeugt. Ob die Fans demnächst den ersten Teil ihres Liedes einmotten können, ist dennoch zweifelhaft. HOLGER PAULER